Charakteristik der Bäume
Baumschlags
des
etc.
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eines jeden Blattes wiederzugeben, dies würde ein lächerliches
Unternehmen sein, allein bis auf einen gewissen Punkt und durch
eine gewisse leichte Behandlung des Pinsels, die unmöglich genau
beschrieben werden kann, kann man sich eine Pinselführung, eine
Technik aneignen, welche das Blatterwerl: einer Eiche, eines
Nuss-, Kastanien- und Maronenbaums, einer Büster, Espe, Pappel,
Weide und Akazie etc. charakterisirt. Man sieht zwar das Blatt
nicht, aber man errath es und der mehr oder weniger sich aus-
breitende gerade oder gekrümmte Wuchs des Baumes und seiner
Zweige trägt das Uebrige dazu bei.
Es ist um so wichtiger, gleich bei dem ersten Anfang dieser
Art Studien, dass man sich angewöhnt, so genau wie möglich
nachzuahmen, weil, wenn man einmal eine gewisse Manier des
Baumschlags angenommen hat, sie mag falsch oder wahr oder
regelrecht sein, man sie auch nicht mehr verändert, oder nur
mit vielen Schwierigkeiten. Es verhalt sich damit ebenso, wie
mit der Schreibkunst, denn wie man die Hand einmal eine ge-
wisse Art Buchstaben zu malen gewöhnt hat, so behält man diese
Manier Zeit seines Lebens.
Man sieht öfters sehr schöne Landschaften, die aber durch
die einförmige Behandlung eines und desselben Baumschlags für
alle Bäume verdorben sind. Einige machen Blätter wie Nadeln,
Andere blos kleine runde Punkte, Andere ein nichts bedeutendes
Zickzack, ein Anderer stellt immer vier oder fünf Blätter so zu--
sammen, wie die Finger an der Hand, oder wie herabfallende
Sterne, wie man sie an den Maronen- und Kastanienbäumen sieht.
Dieser Fehler entstellt gute Arbeiten ausserordentlich und bringt
eine Monotonie darüber, die den Beschauer zurückstösst.
Auch durch die mehr oder weniger vollen Blatterbüschel an
den Enden der Aeste kann man die Art des Baumes erkennen.
Lange Zeit muss man die Natur nachahmen und viel nach der-
selben malen, ehe man es wagen darf, aus dem Gedachtniss
oder der Phantasie Baumschlag zu machen, und selbst wenn
man so weit gekommen ist, darf man es nicht lange anstehen
lassen, ohne wiederholt vor diesem allgemeinen Meister neue Stu-
dien zu machen. Er wird uns der Wahrheit allezeit näherführen,
als alle Copieen nach den besten Landschaftsmalern.