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Zwanzigste Lection.
Kleidung.
überzeugen kann. Allein es muss dieses so gut ausgeführt sein,
wie von einem Gerard, Guerin, Gros, Girodet, Isabey und
einigen Anderen, wenn die Wirkung davon natürlich erscheinen
soll. Uebrigens stellt man in dieser Bewegung blos Gaze und
leichte Mousseline dar, sonst würde man nicht einen blossen Ze-
phyr, sondern einen Sturmwind voraussetzen, und dann, abgesehen
davon, dass es unpassend ist, eine Person kaltblütig und unbe-
weglich dem Sturm ausgesetzt darzustellen, müsste auch Alles in
dem Gemälde mit dieser Wirkung übereinstimmen. Die Haare,
sowie alle leichten Nebenwerke, müssten in Unordnung sein, und
wenn der Hintergrund eine Landschaft vorstellt, so müssten die
Baume und Wolken die Heftigkeit des Windes andeuten.
Ich behaupte keineswegs, dass dieses nicht verdienstlich sein
sollte, wenn das Ganze wohl verstanden und behandelt ist; allein
mich dünkt, dass ein solcher Eüect, so malerisch er auch sein
kann, nur für Portraits von Soldaten, Helden und Seeleuten ge-
eignet ist, oder auch wohl noch für das Portrait eines gelehrten
Geologen oder Naturforschers, der aus Liebe zur Wissenschaft
dem Ungestüm der Luft Trotz bietet.
Es versteht sich, dass ich hier nicht von historischen und
Genre-Bildern rede, in welchen Alles erlaubt ist, ausser, was der
Wahrheit zuwider sein kann.
Was die Behandlung 1) der Gewandungen betrifft, so muss
sie breit, fett aufgetragen und ohne zu kleine Details sein. Die
Lichter müssen stark impastirt sein und die Schatten weniger
dick von Farbe. Man muss grosse Pinsel dazu gebrauchen, immer
aber dem Umfang des Gegenstandes angemessen. Der Maler muss
so zu sagen mit schwebender Hand mit seinem Pinsel spielen
und scherzen, ausgenommen sind gewisse kleine Details von Sticke-
reien und ähnliche Dinge, wie Spitzen u. dgl. m.
1) Unter Behandlung der Farben versteht man die Art und Weise des
Auftrags derselben. Man sagt von einem Maler, dass er eine gute Behandlung"
der Farbe habe, wenn er sie gut und frei aufgetragen hat.