Gewänder.
Flatternde
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in einem richtigeren Tone angegeben hatte, der Beschauer in dem
Gemälde nichts weiter bemerkt haben würde, als was er täglich in
der Natur selbst sieht? Was mich betrifft, so gestehe ich, dass
ich Bemerkungen aus dem Munde nicht Kimstverstandiger niemals
verwerfe; die Kraft der Wahrheit spricht aus ihnen, indem sie ihre
Unwissenheit wohl kennen, so wagen sie sich nicht gern an Kri-
tiken, wegen welcher sie von den Umstehenden ausgelacht würden,
also nur, weil eine Sache sie unangenehm überrascht, lassen sie
ihren Gedanken ganz unschuldig freien Lauf.
Dagegen habe ich zu den Bemerkungen der Halbkenner viel
weniger Vertrauen, sie brennen allgemein vor Begierde, ihre ober-
iiaohlichen Kenntnisse auszukramen, sie urtheilen oder verurtheilen
in den Tag hinein (diejenigen ausgenommen, die ein feines Gefühl
und sehr gesundes Urtheil haben); sie kramen blos eine Samm-
lung von Gemeinplätzen und technischen Ausdrücken aus, womit
ihr Gedaohtniss angefüllt ist. Dieser wissenschaftliche Prunk, der
die Stelle des wahren Wissens vertritt, erstickt in ihnen den vor-
urtheilsfreien Geist, der ihnen gewiss nützlicher sein würde, wenn
sie sich nicht anmassten, als Kenner gelten zu wollen.
Von
den
flatternden und von der
Gewändern.
Luft
bewegten
Fliegende Gewänder kann man nicht nach der Natur copiren.
Man muss viele Beobachtungen angestellt haben und schon ein
guter Praktiker sein, wenn man dergleichen zu unternehmen wagen
will. Ich weiss sehr wohl, dass einige Künstler sie an Drähten
aufhängen, allein dieses Verfahren selbst setzt sehr viele Beobach-
tungen und Geschmack voraus. Mithin rathe ich den Anfängern,
bei ihren Spaziergängen die biegsamen Umrisse der Endigungen
der Gewänder genau zu beobachten, wenn sie vom Winde bewegt
werden, es sei nun, dass eine Person durch schnellen Gang und
heftige Bewegung des Körpers diese Umrisse hervorbringt, oder
dass der Wind die alleinige Ursache davon ist. Uebrigens ist es
nicht gebräuchlich, fliegende Gewänder in einem Portrait anzu-
bringen, diese Mode hat aufgehört. Nichts desto weniger ist es
doch bei einem Portrait in ganzer Figur mit gutem Erfolg anzu-
bringen, wie man sich davon durch die besten neueren Maler