334
Zwanzigste
Lection.
Kleidung.
Die Gestaltung der Falten, das mehr oder weniger matte,
das mehr oder weniger glatte und brillante Aussehen also ist es,
woran der Maler sich halten muss, um den Charakter irgend
eines Stoffes, sowie jedes nur möglichen Körpers und jeder Sub-
stanz, wahr erscheinen zu lassen. Mit Befolgung dieses Grund-
satzes erreicht man noch mehr, nämlich sogar die verschiedenen
Grade der Feinheit und Stärke, welche die Stoffe in der Natur
haben," sie mögen von Wolle, Seide, Leinwand oder einer anderen
Substanz sein, wiederzugeben. Alles dies kann man sogar ohne
Hülfe der Farbe nachahmen, blos mit dem Zeiclinenstift oder
mit dem Grabstichel. Jedermann hat Gelegenheit, sich von der
Wahrheit dieser Thatsache zu überzeugen, und man muss daher
schlechterdings nach der Natur selbst alle Wirkungen dieser ver-
schiedenen Stoffe studiren, sowie den Charakter ihrer Falten,
wovon einige weich und rund, andere eckig und scharf geschnit-
ten, noch andere schlaff, biegsam und immer in grosser Menge
beisammen, wie bei dem Mousselin und allem feinem Linnen über-
haupt etc. erscheinen.
Ich will nicht behaupten, dass an allen diesen Nachahmungen
das Colorit gar keinen Antheil hat. Der Atlas z. B., besonders
der weisse, hat solche lebhafte und glänzende Farben, dass er
so zu sagen zu einem Spiegel wird, in welchem alle Töne der
umliegenden Gegenstände reflectiren. Alle seidenen Stoffe thun
ein Gleiches, Sammet ausgenommen und einige matte Arten, als
der Gros de Tours etc. Allein zwischen Atlas und 'l'afl'et oder an-
deren leichten seidenen Zeugen ist dieser grosse Unterschied,
dass die Falten von den letzteren in grösserer Menge beisammen
sich finden, als bei den starken seidenen Zeugen und bei dem
Atlas. Letzterer zumal macht grosse runde Falten, welche, wenn
sie nicht bald hier, bald da, einige Augen und kleine Brüche
hätten, den Orgelpfeifen ähnlich erscheinen könnten; ein so me-
tallisches Ansehen haben sie durch ihre Formen, Lichter und
schönen Reflexe.
Die Stoife von Linnen, Hanf oder Kattun haben gar keinen
Glanz, ausser wenn sie geglättet sind. Die rohe Seide ist ebenso
beschaffen; allein es ist unnütz, uns mit allen diesen Besonder-t
heiten zu beschäftigen, der Nlaler wird sie selbst unterscheiden