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Lection.
Zwanzigste
Kleidung.
giebt es natürlich eine grössere Anzahl kleiner Falten; indessen
muss man es so machen, dass einige derselben grosse Haupt-
massen bilden, die von den kleineren Falten bestimmt geschieden
sind, theils um die Monotonie zu vermeiden, theils um zufällige
Schatten hervorzubringen.
Kleine Falten sind überall da am häufigsten, wo das Zeug
gepresst und zusammengebunden ist, wie an dem Gürtel, den
Aermeln etc.; allein im Gegensatz dieser kleinen Falten muss das
Auge auf grossen, glatten oder wenigstens breiten und fast ein-
fachen Parthieen ausruhen.
Man vermeide allezeit, dass eine grosse und tiefe Falte die
Form und das Glied des Körpers, das hervorspringend erscheinen
soll, durchkreuze; denn man würde dadurch die Anlage und
Deutlichkeit der Figur zerstören. Nichts ist fehlerhafter, und doch
geschieht es oft, dass die Draperie in der Natur selbst dieses
schlechte Motiv darbietet. Die Gewandung muss zwar das
Nackte bedecken, aber niemals verunstalten.
Was die grossen, schlaffen und herunterhängenden Falten
betrifft, so vermeide man das allzu Symmetrische und unterscheide
sie durch Weite, Form, Lage und durch Winkel, die einander
entgegengesetzt sind, ohne dem Stoff Gewalt anzuthun. In dieser
Hinsicht hole man sich Rath aus Kupferstichen nach den besten
Malern, wie Raphael, Poussin etc., und folge hierin dem gröss-
ten Theil der Maler aus der niederländischen und holländischen
Schule nicht. Diese Maler, obgleich sie die Gewänder, was die
Malerei betrifft, gut behandelt haben, so haben sie doch im All-
gemeinen nicht mit eben der Grazie und Geschmack drapirt, noch
den F altenwurf so kunstreich angeordnet. Die französischen und
besonders die italienischen Maler verdienen den Vorzug 1).
1) Es giebt vortreffliche Maler, die sich eines gut ausgedachten Mittels
bedienen, um die allgemeine Wirkung eines Gemäldes, das aus einer grossen
Anzahl von Figuren besteht, und die Vertheilung der Farben an den Gewän-
dern zu beurtheilen und so ein harmonisches Ganze hervorzubringen. Sie ver-
fertigen aus Holz oder Pappe einen inneren Raum, der mit dem, welcher den
Hintergrund des Gemäldes ausmachen soll, einige Aehnlichkeit hat, gleichviel,
ob es ein Porticus, ein Palast, eine Kirche oder eine Stube ist. In diesem
kleinen Local werden "die Fenster angebracht, wo auch in dem Gemälde derglei-
chen hinkommen sollen, dergestalt, dass das Tageslicht auf keinen anderen Weg