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Zwanzigste
Leution.
Kleidung.
Wenn man einen dicken und starken Gliedermann hat, so
geht die Bekleidung von dünnen Personen nicht darüber; will
man aber eine starke Person nachahmen, so kann man ihn aus-
polstern und mit Streifen von Zeug geschickt dicker machen. Auf
diese Art kann ein Gliedermann iiir alle Taillen benutzt werden.
Ich gebe den Rath, einen weiblichen Gliedermann von fünf Fuss
Höhe zu haben, einen weiblichen deshalb, weil die Kleider und
verschiedenen Stoffe, womit sich Frauen bekleiden, viel schwerer
zu malen sind, als die der Männer.
Eben diesen Gliedermann kann man auch mit einiger Ein-
Sicht zur Bekleidung der Männer gebrauchen, man braucht nur
alle Formen und Glieder, die Brust ausgenommen, gehörig dicker
zu machen, und nach einem gut gezeichneten Umriss wird man
über diese Auspolsterung eine Oifizierkleidung, die viel Details
hat, und jede andere beliebig leichter malen, als nach dem wirk-
lichen Modell; dessenungeachtet aber muss man alle diese Dinge
so viel als möglich nach dem Modell selbst machen.
Jetzt wollen wir betrachten, wie Stoffe gut zu drapiren und
zu malen sind.
Soll ein Rock, ein Shawl, eine grosse Draperie gut aussehen,
so ist die Hauptsache die, dass die Formen der Figur nicht ganz
verdeckt werden, sondern dass man durch die Falten hindurch die
Lage der Parthieen des Körpers, die sie bedecken, ohne Mühe
verstehen kann. Es ist nicht nothwendig, dass die Formen sich
in ihrem ganzen Zusammenhange darstellen; im Gegentheil, der
Stoff muss bei Vertiefungen die Form verlassen und überall
da, wo etwas rund Vorspringendes erfordert, weniger Falten zu
machen, über diese runde Parthie mehr nur ausgebreitet sein.
Mithin, die für das Modell angenommene Stellung mag sein, welche
sie will, wird man Glieder und Parthieen finden, von welchen
einige vor den anderen hervorspringen, und diese hervorsprin-
genden Parthieen werden gegen den Stoff drücken, so dass er
sich nicht in tiefe Falten zertheilen kann. In diesen hervorsprin-
genden Theilen muss man die Form des Körpers durch die Falten
erkennen, da uns dies die Natur selbst wirklich zeigt, wenn wir
nur ein wenig darauf Acht geben. Der Künstler hüte sich aber,
diese V ertheilung im Uebermass anzuwenden; dergleichen Drape-