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Zwanzigste
Lection.
Kleidung.
Eine
dunkle
Farbe
auf
einer
helleren
macht
eine
bessere
Wirkung, als im umgekehrten Falle; im Allgemeinen ist es daher
besser, einen Shawl dunkler zu machen, als das Unterkleid, das
damit bedeckt wird; ebenso ist es bei Männern. Die Farbe
eines Ueberrockes oder irgend eines Kleides thut eine bessere
Wirkung auf einer hellen Weste, als das Gegentheil. Allein alle
diese kleinen Bemerkungen sind blos allgemein, und es giebt Fälle,
wo man es durchaus anders machen muss, theils, um sich nach
der Gewohnheit einer Person zu richten, theils aus anderen Ur-
sachen, welche der Maler vorzuziehen hat.
Vom
Faltenwurf
und
VOD
der
Kunst
den
Gliedermann
Zll
bekleiden 1).
Nichts beweist deutlicher, dass in vielen Fällen die Kunst
der Natur zu Hülfe kommen muss, als der schöne Faltenwurf.
In der That, wenn der Maler alles das, was ihm die Natur und
der Zufall darstellt, immer sclavisch nachahmen wollte, so würde
er fast immer geschmacklose Sachen machen, die alle Formen sei-
ner Zeichnung verderben, das heisst die Gliedmassen seiner Figuren
verkrüppelt erscheinen lassen würden, wenn er sie auch ursprüng-
lich noch so gut angelegt hätte.
Es giebt gewisse nachtheilige Falten, die, anstatt dem Zu-
schauer Gelegenheit zu geben, die unter ihnen verborgenen For-
men der Figur sich deutlich zu machen und die Stellung zu verste-
hen, diese Formen vielmehr so unterbrechen, dass eine solche
Draperie mehr ein verworrener Haufe von Stoffen zu sein scheint,
1) Einen Gliedermann gut bekleiden heisst, einen Rock oder irgend
eine Bekleidung so auf demselben anordnen, dass er schöne Falten wirft, und
in Absicht auf die Figur der Person, die man damit zu bekleiden gedenkt,
eine schöne Wirkung thut. Diese Kunst des IPaltenwerfens ist sehr schwer
und erfordert viel Kenntniss, Geschmack und Geduld, ja man verwendet öfters
ganze Tage auf diese Arbeit, ohne befriedigt zu werden. Jedermann weiss,
dass der Gliedermann eine grosse Puppe ist, entweder ganz von Holz, oder
von Holz und metallenen Charnieren bei allen Gelenken der Knochen, und we-
gen der Muskeln und des Fleisches künstlich ausgestopft und gepolstert, um
alle Formen und Proportionen einer männlichen Figur, eines Frauenzimmers
oder Kindes nachzuahmen.