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Yeunzehnte Lection.
Retouche.
tigen Farben, die man zur beliebigen Modificirung des Localtons
der Massen der Architektur für nöthig erachtet, indem man diese-
Retouchen in den Schatten oder den Stellen, die es erfordern,
mehr oder weniger stark aufträgt, und arbeitet so mit sicheren
Pinselstrichen und gelangt auf diese Art zu dem nöthigen Grad
von Kraft, wodurch sich der Gegenstand von seiner Umgebung
gehörig trennt und abhebt. Da übrigens alle Farben, die man
zum Retouchiren nimmt, ihrer Natur nach um so durchsichtiger
sind, als man sie sehr dünn und mit wenigem Oel aufträgt, so
hat man den Vortheil, die darunter liegende Untermalung zu ver-
vollkommnen, ohne von dem, was stehen zu bleiben und beibe-
halten zu werden verdient, etwas zu verlieren.
Wenn man zu den Retouchen, anstatt der durchsichtigen
Farben, dicke und körperliche Farben brauchen wollte, so würde
man die Frucht der ersten Arbeit fast ganz verlieren, und blos
eine zweite Untermalung auf die erste setzen. Andererseits
würde dieser dicke Auftrag der Farben die Arbeit schwer im Ton
machen, und man würde genöthigt sein, noch eine Lasur darauf
zu setzen, um alles das zu corrigiren, was nicht mit dem rechten
und feinen Ton gemalt ist.
Ausserdem muss ich noch den Anfängern sagen, dass die
Retouchen, wovon ich jetzt rede, nicht so sorgfältig und gleich-
förmig aufgetragen und ausgebreitet zu sein brauchen, als die
Lasuren, da sie dazu gebraucht werden, um mit mehr oder we-
niger durchsichtigen [Farben aller Art hineinmalen zu können, be-
sonders in den lichten Stellen; mithin würde die Anwendung
einer gleichen Sorgfalt überflüssig sein. Es ist sogar der Fall,
besonders bei Landschaften, dass die Striche des Borstenpinsels
und die Ungleichheiten, welche sie zurücklassen, angenehme Zu-
falligkeiten hervorbringen, die das Auge und das (clefühl eines
geschickten Künstlers nicht verachtet, er benutzt im Gegentheil
jedes glückliche Ungefähr, das ein leichter Pinsel unter seinen
Händen hervorbringt. Hierin haben die niederländischen Maler
sich besonders hervorgethan, allein man muss schon Fortschritte
in der Kunst gemacht haben, um, so wie sie, mit Verstand da-
von Gebrauch machen zu können. Man hüte sich aber, sie
aifectiren zu wollen, ebenso gut könnte man geschmolzenes Blei