Verschiedene
Warnungen.
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merkbar sind, aber doch bisweilen sichtbar werden, je nachdem
das Modell beleuchtet ist.
Mit den bläulichen, grauen und violetten Halbtönen, die man
für nöthig erachtet, muss man sehr sparsam sein. Die Anfänger
übertreiben allezeit hierin; dies hat man um so mehr zu scheuen,
weil alle Töne, unter welche Schwarz und Blau kommt, selbst
das Ultramarinblau, immer ein wenig nachdunkeln, dergestalt,
dass diese feinen und zarten Töne, was die Italiener MorbidezzaÜ
nennen, und die, wenn sie mit Kunst und Sparsamkeit gehörig
angebracht sind, die Carnation rein, frisch und zugleich geschmei-
dig darstellen, im Gegentheil ein schwarzblaues und cadaver-
ähnliches Ansehen geben, wenn man sie nicht sparsam ge-.
braucht.
Aus diesem Grunde empfehle ich besonders bei den Unter-
malungen entweder sehr wenig oder gar nicht Gebrauch davon
zu machen, und sie bis zur Vollendung der Oarnation aufzube-
wahren, indem man dann die Untermalung benutzt, so wie ich es
oben erklärt habe 2); man beachte auch noch dieses, dass überall,
wo die Haut auf dem Knochen gespannt ist, wie auf der Stirn,
auf den Backenknochen u. s. w., die Lichter einen mehr gelb-
lichen Ton annehmen als anderwarts, wenn sie auch sonst weiss
und frisch sind.
Das Iniärnat, welches die Wangen färbt, darf man nicht zu
einfdrmig malen, vielmehr muss man sich bemühen, die kleinen
rosenfarbenen und bisweilen sehr lebhaften Ungleichheiten getreu
nachzuahmen, die der Haut viel Durehsicht-igkeit geben und ver-
hindern, dass die WTangeIi nicht wie geschminkt aussehen. Man
studire auch mit Aufmerksamkeit das fast unmerkliche Lieht,
welches die gehobenste Stelle der Wange, auf dem Backen-
knochen, erhellt, wenn ein leichtes Lächeln diese Parthie ein
wenig hebt und anschwellt, sonst würde dieselbe ganz platt er-
1] Morbidezza. ist ein italienischer Ausdruck. Das Fleisch eines jungen
Frauenzimmers von weissem und frischem Teint und das eines schönen Kindes
hat viel Morbidezza (Weichheit). Es scheint dem Auge, dass es weich und
wie Sammet anzufühlen ist.
2) Man sehe das nach, was ich bezüglich der bläulichen Töne u. s. w. ge-
sagt habe, S. 244 u. f.