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Achtzehnte
Loction.
lh-bermalung.
Kennern weniger Vergnügen machen, als einige Arbeiten, die
durch die fertigen und geschickten Hände eines Van dyk, Ru-
bens, Titian, van der Helst und vieler anderer verstorbener
Künstler, ohne die lebenden mitzurechnen, in einigen Tagen ver-
fertigt sind. Wenn man die schönsten Gemälde eines Denner
sieht, so kann man sich nicht enthalten, ihnen den Tribut der
Bewunderung zu zollen; allein man bleibt kalt, und man sagt
nicht zu sich selbst, wie bei dem Anblick einiger anderer Mei-
sterwerke: so möchte ich malen können, und sollte es mir zehn
Jahre meines Lebens kosten!
Also die grossen Meister, welche alle Kenner und selbst eine
grosse Anzahl derjenigen, die blos durch ihren guten Geschmack
geleitet sind, weit über Denner stellen, haben sich nur an die
allgemeine Wahrscheinlichkeit gehalten, ohne sich in weitere De-
tails einzulassen, als nöthig sind, den möglichsten Elfect hervorzu-
bringen. Diese muss man sich zum Muster wählen, sie werden
das göttliche Feuer in uns entzünden, das sie beseelte.
Um jetzt auf das Colorit wieder zurückzukommen, so muss
man bei der Uebermalung eines Kopfes sorgfältig vermeiden, in
starken und tiefen Schatten graue und undurchsichtige Töne an-
zubringen, sondern vielmehr die Schatten in einem warmen und
durchsichtigen Tone halten, bisweilen sogar ein wenig lackartig
oder blutfarbig, je nachdem die Art der Carnation ist, welche
man nachahmen will. Allein man muss nichts übertreiben, sonst
lauft man Gefahr, geschundenes Fleisch zu machen; man vergesse
nie, dass man dasselbe Fleisch malt, nur ist es nicht vom Tages-
licht beleuchtet; hierzu muss man die Modification hinzufügen,
welche von den mehr oder weniger sichtbaren Widerscheinen
entstehen, die entweder von einigen anderen beleuchteten Par-
thieen des Fleisches, oder der Kleidung, oder von irgend einem
anderen Gegenstande, der mehr oder weniger nahe ist, zurück-
geworfen werden. Die blutfarbigen und lackartigen Stellen fin-
den sich nur da, wo das Licht durch knorplichte Theile scheint,
wie z. B. in den Nasenlöchern und bei dem Knorpel, welcher sie
trennt, in den Ohren, am Ende der Finger von Personen, deren
Haut schön, fein und durchsichtig ist; endlich in mehreren an-
deren Parthieen, wo die blutfarbigen Wirkungen zwar weniger be-