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A chtz ehnte
Lection.
Uebermalung.
zu sagen: Lachen Sie, dies ist zu viel, noch einmal, nicht
so viel, so ist es recht u. s. w. (wodurch niemals der wahre
Ausdruck hervorgebracht wird); so muss man in diesen Fällen
entweder aus dem Gedächtniss malen, oder wenigstens den Augen-
blick abwarten (indem man sich mit einer anderen Sache beschäf-
tigt), in welchem uns die Person die Art des Ausdrucks, die man
haben will, wieder giebt, und die sich in Uebereinstimmung und
Harmonie mit den Parthieen beündet, die man schon gemacht
und vollendet hat.
Ein
Wort
über
die
Portraits
mit
abgewandtem
Blick.
Man nennt Portraits mit abgewandtem Blick (a regard
perdu) solche, in welchen das Modell den Maler nicht ansieht,
sondern irgend einen anderen Gegenstand, welcher sich in dem
Gemälde beündet oder auch nicht darin befindet, so dass man
annehmen müsste, er befinde sich ausserhalb des Rahmens. Man
nimmt sehr oft diese Stellung, und wenn sie auch nicht die Aehn-
lichkeit sehr erleichtert, so ist sie doch sicherlich sehr malerisch.
Künstler, denen man ganz freie Wahl lässt, eine Stellung anzu-
ordnen, die ihnen gefallig ist, wählen sie sehr gern, weil sie in
der Composition verschiedene Vortheile darbietet, wodurch diese
Art Portraits weniger gewöhnlich sind, als die meisten von denen,
deren Augen Jedermann ansehen, was immer geschieht, wenn sich
der Maler von seinem Modell ansehen lässt.
Eine Figur, die uns beständig starr ansieht, ohne den Aus-
druck zu verändern, hat etwas Unbelebtes an sich, das mit der
Zeit langweilig wird, die Vorstellung einer plötzlichen Versteine-
rung erregt und dessen man zuletzt überdrüssig wird.
Bei einem Portrait mit abgewandtem Blick verhält es sich
anders. Da das Individuum den Anschein hat, als beschäftige es
sich mit einem mehr oder weniger interessanten Gegenstande für
sich, so fühlen wir nicht dieselbe Ungeduld, wenn wir sehen, dass
es fortwährend auf etwas blickt, das wir selbst nicht sehen, und
wir vermuthen irgend ein Motiv, das seinen Blick festhält.
Wenn aber diese Art Portraits für das Publicum überhaupt
diesen Vortheil haben, so ist es doch damit ganz anders für Ver-
wandte und Freunde der dargestellten Person. Diese wünschen