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Achtzehnte
Lectiorx.
ung-
U ebermal
Personen eine Hebe oder eine Venus machen müsse, oder aus
allen Jünglingen einen Apollo. Die Aehnlichkeit ist in den Augen
der Welt das erste Verdienst eines Portraits, das zweite, dass
die Aehnlichkeit angenehm, und das dritte, dass das Portrait gut
gemalt sei.
Die Maler classificiren ihr Urtheil nicht immer in derselben
Ordnung, und man muss ihnen dieses verzeihen. Wenn die prach-
tigen Portraits, welche uns ein Titian, Vandyk, Rubens und
viele andere berühmte Maler hinterlassen haben, blos das Ver-
dienst der vollkommenen Aehnlichkeit hatten, so würden wir heut
zu Tage wenig daraus machen, oder, besser-gesagt, ihre Arbeiten
würden nicht bis auf uns gekommen sein. Wir wollen also den
grossen Liebhabern der Kunst die Freiheit verstatten, die Schön-
heit der Arbeit allem Uebrigen vorzuziehen; wir wollen aber auch
zugleich iiir die lebenden Personen billigen, dass die Mehrzahl
das Verdienst einer angenehmen Aehnlichkeit obenan setze.
Es ist wahr, dass ein schlechtes Gemälde sehr selten, ja fast
niemals eine angenehme Aehnlichkeit darbietet, denn es erfordert
viel Geschicklichkeit und kein gewöhnliches Talent, um viel Aehn-
lichkeit beizubehalten, indem man einem Portrait zu schmeicheln
sucht. Nur mit strenger Prüfung und einer sehr geübten Hand
kann man sich in dieser Art einen guten Erfolg versprechen.
Glücklich sind diejenigen, welche diesen Punkt erreicht haben!
Durch Ausdauer, Flifer und anhaltendes Studiren kann man dahin
gelangen, wenn nur der Maler nicht der natürlichen" Anlagen
entbehrt. Junge Anfänger müssen also bei den Schwierigkeiten,
die sie zu überwinden haben, nicht den Muth verlieren; eine
lange Laufbahn öifnet sich vor ihnen, sie sind jung und haben
Zeit sie zu durchlaufen, und wenn sie standhaft sind und sich
nicht von dem rechten Wege entfernen, so können sie lhoffen,
noch Kränze zu erlangen, ehe sie das ausserste Ende erreichen,
wo sie sich noch an dem Andenken ihrer Siege freuen können.
Folgende Rathschlage aus meiner eigenen Erfahrung glaube
ich denjenigen geben zu können, welche sich der Portraitmalerei
widmen.
Vor allen Dingen mache man sich mit
nung genau bekannt, und nehme nicht eher
der Kunst der Zeich-
die Palette zur Hand,