Anleitung zur
[Tebermalung
des Lichtes.
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enthalten, sind gleich gut anwendbar für alle Perioden eines Ge-
mäldes, sowohl bei dem Anfange, als bei der Vollendung.
Wenn man seine Untermalung abgeschabt und gewaschen
hat, wie Seite 216 u. f. gesagt worden, so muss man die Ueber-
malung, wie die Untermalung, mit der Stirn beginnen, indem man
sogleich mit dem hellsten Licht anfangt, sich aber allemal vor-
behält, in der Folge noch brillantere Lichter durch einige noch
brillantere Pinselstriche aufzusetzen. Hierauf muss man seine
auf einander folgenden Töne verschmelzen, indem man genau eben
so verfährt, wie bei der Untermalung, jedoch mit verdoppelter
Aufmerksamkeit, um den richtigen Ton zu erhalten; denn hier
muss man alle" nur möglichen Hülfsmittel anwenden, so dass nichts
zu wünschen übrig bleibt. Zu gleicher Zeit male man die An-
fänge der Haare, sowie alle übrigen Gegenstände, welche sich
an der Grenze des Fleisches befänden, um das Eine mit dem An-
deren ohne Härte sanft in einander zu schmelzen. Allein an den
grossen Schatten arbeite man noch nicht, wie man bei der Unter-
malung gethan hatte. Dies würde unnütz sein, denn man hat-te
sich in der Untermalung nur daran gemacht, um die Wirkung
im Ganzen und das allgemeine Relief des Gegenstandes festzu-
stellen.
Sind die Lichtmassen und ihre Abstufungen mit reinen Local-
farben gut angelegt, so gehe man zu den benachbarten Tönen
über, die schon Halbtöne und mehr oder weniger in verschiedene
Abstufungen gebrochen sind, röthlich, bläulich, violett, grünlich etc.,
indem man mit der gewissenlmftesten Aufmerksamkeit das Ver-
hältniss dieser letzteren zu den starken Lichtern und dem allge-
meinen Farbenton des Fleisches 1) vergleicht. So sehreite man
allmälig weiter bis zu den stärksten Halbtönen und endlich zu
den Schatten und Reflexen. Ehe man aber zu den Schatten
1) Jeder Localton, sei er von Fleischfarbe oder von irgend einem anderen
Gegenstande, hat im eigentlichen Sinne die allgemeine Farbe, welche die Natur
oder die Kunst diesem Gegenstande gegeben hat, undzwar abstrahirt von den
Schatten, gebrochenen Halbtönen und selbst von den hellsten Lichtern, als
wenn es ein Stückchen Tuch wäre, das auf Pappe gelegt und angeklebt wäre,
011118 dass es eine Falte macht, das heisst, ohne dass man Schatten und Licht
entdeckt, Sondern überall eine blos einförniige Färbung.
Bvuvier, Oehxialerei. 4. Aufl. u;