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Achtzehnte
Lection.
Uebermalung.
und überhaupt in den Schatten, zu dem Bart in den Reflexen etc.
Dies ist der allgemeine Grundsatz. Ich verweise den Leser auf
weitlaufigere Erklärungen, die er weiter unten antreffen wird.
Man beachte allezeit, dass die Schatten Weiter nichts sind, als eine
Fleischfarbe, die des jedesmaligen directen Tageslichts beraubt
ist und nur sehr wenig von der wahren Localfarbe des Fleisches
sehen lasst, wogegen die Halbtöne sich demselben mehr nähern,
weil sie das wirkliche Tageslicht, obgleich schief und unvollkom-
men, in Bezug auf die Stelle erhalten, von wo aus sie der Maler
betrachtet. Was die Reflexe betrifft, so ist dies eine Sache für
sich; sie sind in der That, sowie die Schatten, der directen Licht-
strahlen "beraubt, allein die mehr oder weniger beleuchteten Ge-
genstande, die in ihrer Nachbarschaft beündlich sind, werfen ein
erborgtes Licht auf sie zurück, welches den Ton dieser Reflexe,
die immer einen Theil der Localfarbe "des Gegenstandes selbst
haben, der das Licht zurückwirft, mehr oder weniger modificirt.
Uebrigens, wenn man streng unterscheiden will, ist Alles, im
Schatten selbst, Widerschein. Eigentlich, genau genommen, sind
nur tiefe Löcher ohne Reflex; denn wie könnte man sonst die
Gegenstände, die im Schatten sind, unterscheiden? Sie würden
uns ebenso schwarz und dunkel erscheinen, als ein Loch unter
der Erde, wenn sie nicht von dem Widerscheine der umgebenden
Gegenstände mehr oder weniger erhellt würden, denn wir ent-
decken ja an denselben nicht nur viele Details, sondern wir
können ihnen auch einen bestimmten Farbenton zuweisen. Diese
Bemerkung ist hinreichend, um die Anfänger zu überzeugen, dass,
weil man in den Schatten Licht sehen kann, man auch die wirk-
liche Färbung desselben andeuten muss, mithin müssen sie durch-
scheinend gemalt sein, das heisst dergestalt, dass man ihre schein-
baren oder erborgten Farben erkenne, und zwar so genau und
wahr, dass sie dem Auge nicht als unreine und schmutzige Flecken
erscheinen, mit einem Wort, man muss wirklich überzeugt wer-
den, dass dieser Schatten von eben derselben Fleischfarbe ist,
die wir überall sehen, und dass sie auf dieser Stelle blos des
vollen Tageslichtes beraubt ist. Denn die Natur bringt auch
keine andere Wirkung bei uns hervor, und Diejenigen, welche
keine Maler sind, bemerken vielleicht kaum, dass sie an den