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Levtion.
Siebzehnte
Die
Untermalung.
ohne weder von dem einen noch von dem anderen durch die Be-
wegung des Pinsels zu viel hinwegzunehmen, sondern dadurch,
dass man auf eine zarte und fast unmerkliche Weise die Farbe
etwas berührt und sie in der Richtung der Form behandelt.
Wenn zwei benachbarte Töne uns in Ton und Abstufung
richtig zu sein scheinen, so dass es nicht nöthig ist, sie durch einen
neuen gemischten Ton zu verbinden, so braucht man weiter nichts
zu thun, als den Ort der Trennung mit einem Weichen und etwas
breiten Pinsel sanft zu berühren; man fuhrt ihn in leichter, gleich-
sam zitternder, durch einen geschickten Druck der Fingerspitzen
hervorgebrachter Bewegung hin und her, ohne weder von der
einen noch von der anderen Farbe viel wegzunehmen. Auf diese
Weise erreicht man eine vollkommene Verschmelzung in einem
Augenblick, aber allezeit muss man sehr darauf bedacht sein,
dass die Modellirung 1) der Form nicht dadurch verändert
werde; daher muss man diese kleine Bewegung in Ueberein-
Stimmung mit der Form machen, sowie ein Zeichner mit der
Kreide seine Schrailirungen behandelt.
Die jetzt beschriebene Arbeit erfordert viel Aufmerksamkeit
und Geschick; denn wenn der, welcher sie macht, ungeschickt
zu Werke geht, so verdirbt e-r nicht allein die Reinheit der Töne
und Schattirungen, sondern er verwirrt sich in der Masse der
Farbe, und endigt damit, dass er alle Formen verliert, anstatt
sie durch diese Arbeit zu verbessern. Um diesen Fehler zu ver-
meiden, so quäle man seine Farbe nicht, und wenn eine Parthie
uns nicht ganz nach Wunsch gelungen ist, so lasse man sie, ohne
sie weiter zu retouchiren, und behalte sich vor, sie bei der Ueber-
malung und Beendigung des Gemäldes zu corrigiren; dies ist das
Beste, was man thun kann. Denn ob es gleich ein grosser Vor-
theil ist, auf eine Untermalung, die richtig in den Tönen ist,
1) Als Kunstausdruck bedeutet modelliren die Kunst, die Formen so rich-
tig anzudeuten, dass sie dem Auge kennbar sind. Also bedeutet Modelli-
run g hier so viel als eine richtige Andeutung der Formen, dergestalt, dass
man sowohl das Relief der "Parthieen zu sehen glaubt, oder auch die Erhöhung
oder die Vertiefung derselben. Die Malerei hat diesen Ausdruck von der
Bildhauerkunst entlehnt.