196
Lection.
Siebzehnte
U ntermalung.
Die
blos durch die Wirkung der Schatten, der zurückweichenden
Flachen und der Reflexe. Diese fast unzahlbare Menge verschie-
dener Töne, welche ein feiner Colorist in der Natur zu sehen
und zu lesen versteht, sind also nicht wirklich, sie sind blos
scheinbar, sie werden theils durch den Schatten, theils durch die
Halbtöne, welche zwischen Licht und Schatten mitten inne stehen,
besonders aber durch die Wirkung des Lichtes auf den Flaum
der Haut hervorgebracht. Dieser feine, fast unsichtbare Flaum
der Haut ist es, welcher die Töne der Halbtöne bis in's Unend-
liche modilicirt; er ist das unterscheidende Merkmal der Jugend
und Frische. Daher vergleicht man auch eine schöne Haut mit
einer schönen Pfirsiche, nicht mit einem schönen Apfel, weil der
letztere, wenn er auch oft mit den schönsten Farben geziert ist,
doch glatt und glänzend ist, und nicht den sammetartigen Flaum
hat, der der Pfirsiche eigen ist. Ueberdies erscheint dieser un-
merkliche Flaum, welchen jede schöne, mehr oder weniger blonde
oder mehr oder weniger schwarze Haut hat, je nach den
Haaren der Person, in einer dieser beiden Farben. Ist er schwarz,
so bildet er in den zurückweichenden Parthieen blauliche Töne,
besonders in den Wendungen selbst, wo er mehr zusammen-
gedrängt scheint; ist er blond, so macht "er etwas grünliche
Töne. Das erstere (nämlich das Schwarzblauliche) bringt einen
violettlichen Schimmer in die Parthieen der zurückweichenden
Flächen, wo es sich mit dem Rosa der Wangen vermischt, und
das Blonde bildet in den nämlichen Parthieen Halbtöne, die etwas
mehr roth grünlich sind. Es ist fast unmöglich, alle Abände-
rungen aufzuzählen, welche die verschiedenen Eigenthümlichkeiten
der Localfarbe der Haut, verbunden mit den Veränderungen der
verschiedenen Niiancen dieses sammetartigen Flaums, von dem
die Rede ist, dem Auge des Künstlers darbieten. Ich habe mich
daher auf die Anführung der zwei ganz entgegengesetzten Schat-
tirungen beschrankt und überlasse die dazwischen liegenden
Nüancen dem Auge desjenigen Beobachters, welcher Farbensinn
und den Vorsatz hat, ein feiner Colorist zu werden. Indessen
will ich eine Bemerkung hinzufügen: bisweilen hat eine blonde
Person dennoch einen feinen Flaum der Haut, welcher dunkler
ist als die Haare derselben, und umgekehrt sieht man auch Per-