Niederländische
Malerei.
213
dürfte das kleine Skizzenbuch mit zwölf Holztäfelchen, auf denen
zweiundzwanzig Bilder gemalt sind, im königlichen Kupferstich-
kabinett in Berlin stammen. Ebenso wie die Buchmalerei unter-
scheidet sich die altere niederländische Tafelmalerei in Tempera
wenig von der allgemein am Niederrhein, namentlich auch in
der Kölnischen Schule üblichen, obwohl später die niederländische
Eigenart, die Freude an der liebevollen Darstellung der natürlichen
Umgebung, in der Wiedergabe der Landschaft und des Inneren
der Bauwerke, als charakteristische Besonderheit kräftig zum Aus-
druck kommt. Eine wahrhaft europäische Bedeutung gewinnen
dann sofort die Werke der berühmten altllandrischen Malerschule
der Brüder Hubert und Jan van Eyck im ersten Viertel des
15. Jahrhunderts, Welche den zur Renaissance überleitenden Realis-
mus reichlich ein Jahrzehnt früher bethätigen, als die mit Masaccios
Arbeiten in Florenz beginnende gleichartige Richtung. Zugleich
bewirkt die Anwendung der von den Eycks wenn nicht erfundenen,
doch jedenfalls vervollkommneten Technik der Ölmalerei einen ent-
schiedenen, sich rasch durch alle Länder verbreitenden Umschwung
in der Herstellung. der Tafelbilder, welcher der realistischen Ver-
vollkornmnung derselben zu gute kommt. Von der durchgreifenden
Veränderung, welche die Auffassungsweise der Alttlandrischen
Schule in der gesamten deutschen Malerei hervorbraohte, ist schon
bei Gelegenheit der Schilderung der letzteren im vorhergehenden
Abschnitt die Rede gewesen, aber auch in Italien und Spanien
riefen die technische Vollendung der dorthin gekommenen flan-
drischen Bilder Bewunderung und Nachahmung hervor.
Zwar konnte sich die altniederländische Richtung in der Malerei
kaum ein Jahrhundert hindurch selbständig erhalten; sie musste
seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts dem alles überflutenden
Einilusse der italienischen Kunst weichen, obgleich auch später
noch Rückwirkungen von den Niederlanden nach Italien, nament-
lich in der Landschafts- und Genremalerei stattfanden, welche als
selbständige Gattungen eigentlich erst in den Niederlanden geschaffen
wurden. Der ganz hervorragenden Ausbildung dieser genannten
Zweige der Malerei, sowie der ebenfalls bevorzugten Tier-, Blumen-
und Stilllebenmalerei ist es auch zu verdanken, dass die nieder-
ländische Malerei des 17. Jahrhunderts dennoch ein ganz von der
italienischen Art abweichendes Gepräge gewinnt. Im Vergleich zu
der ernsten und im allgemeinen hohen Schönheitsidealen nach-
strebenden italienischen Kunst ist die niederländische heiter und
behaglich bürgerlich in ihrem Gesamtcharakter, der indes eine
feine seelische Stimmungsmalerei keineswegs ausschliesst. Aber
die Ekstasen- und Marterszenen der späteren Italiener finden in
den Niederlanden fast keinen Eingang, vielmehr macht sich hier