Venezianische und Oberitalienische Schule, 16. Jahrh.
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Werke der Venezianischen Schule (Nr. 230). Alessandro Bonvicino,
genannt Moretto da Brescia, geboren um 1498, gestorben 1555,
ist der dritte der hervorragenden Meister von Brescia; er war
ein Schüler des Romanino, hat sich jedoch später an den Werken
des Palma, des Pordenone und hauptsächlich des Raffael heran-
gebildet. In seinen späteren Werken verbindet er die Farben-
pracht des Romanino mit einem feinen perlgrauen Silberton.
Ganz besonders vorteilhaft erscheint Moretto auch in seinen Bild-
nissen. Die heilige Justina in der kaiserlichen Galerie in Wien
(Nr. 310) ist ein Hauptwerk des Meisters und überhaupt eines der
anziehendsten Bilder der Venezianischen Schule; die Heilige steht
in einer lichten Landschaft und blickt auf einen ihr zur Linken
knieenden Mann, wahrscheinlich den Stifter, zur Rechten der
Heiligen kniet ein weisses Einhorn, das Zeichen der J ungfraulichkeit;
ebendort ein Bild aus der Schule des Meisters, ein junger Mann
im schwarzen Gewande (Nr. 311). Die Galerie in Dresden hat
nur eine Kopie der Madonna in der Kirche auf dem Berge über
Paitone aufzuweisen (Nr. 202); der Hirtenknabe, dem auf dem
Original die Madonna erscheint, ist auf der Kopie weggelassen.
Das Museum in Berlin enthält von ihm die Glorie der Maria
und Elisabeth (Nr. 197): auf Wolken gelagert Maria mit dem
Kinde nebst der heiligen Elisabeth und dem kleinen Johannes,
von zwei Engeln verehrt darüber die Taube, unten knieen die
Stifter. Im Museum zu Schwerin von ihm: die Anbetung der
heiligen Dreieinigkeit (Nr. 93), oben in den Wolken Gottvater und
Christus, zwischen beiden das auf der Erdkugel stehende Kreuz,
darüber in einer Glorie die Taube des heiligen Geistes, hinter
Gottvater und Christus sitzen Johannes der Täufer und Maria,
unten acht anbetende Heilige; dann das lebensgrosse Brustbild
einer Nonne in weissem Chorkleide und schwarzem Mantel (Nr. 94).
Die Pinakothek zu München bewahrt von Moretto das Bildnis
eines schwarzbärtigen Geistlichen, kühl und wahr in der Farbe,
zu den besten italienischen Bildnissen jener Zeit gehörend (Nr. 1123);
im Museum zu Kassel von ihm die Anbetung der Hirten (Nr. 473):
das Christkind liegt in einem Korb vor einer Tempelruine, rechts
von ihm kniet Maria, links zwei Hirten, rechts nahen zwei Hirten
mit Schafen auf dem Rücken, hinter dem Kerbe kniet Joseph, auf
dem Strohdach über der Ruine tummeln sich sechs Engel; und
das Bildnis eines Mannes in mittleren Jahren, in blaugrauem Ge-
wande auf grauem Grunde (Nr. 474). Das Ferdinandeum in
Innsbruck hat eine Madonna mit dem Kinde und dem heiligen
Rochus in der Art des Moretto (Nr. 493); von ihm in der gross-
herzoglichen Galerie zu Oldenburg das Bildnis eines Nobile
Vertoa aus Bergamo, vor einem Tisch stehend, im dunklen Pelz-