Epoche der Spätgotik.
(15. Jahrhundert.)
Das wichtigste Ereignis für den Umschwung in der deutschen
Malerei des 15. Jahrhunderts bildet das Eindringen der durch die
mm Exycksche Malerschule hervorgerufenen Richtung von den Nieder-
landen her. Indes hatte dieser starke fremde Einfluss dennoch
keinen Manierismus in Deutschland zur Folge, wie solcher gegen
die Mitte des 16. Jahrhunderts durch den vollen Anschluss an das
welsche Wesen hervorgerufen wurde, vielmehr gab die neue nieder-
ländische Art nur einen gesunden Anstoss zur Fortbildung der
heimischen Kunstweise. Ähnlich wie früher Burgund zur grossen
germanischen Völkergruppe gehörte, so stehen in dieser Periode
die Niederlande in einem engen volksmässigen Bezuge zu Deutsch-
land. Gingen doch niederrheinische und niederländische Volksart
unmerklich ineinander über. Der niederländische Einfluss, nament-
lich der hauptsächlich in Betracht kommende der van Eyckschen
Schule, war deshalb auch kein dem deutschen Wesen fremdartiges
Element. Es war wohl in den Niederlanden ein ähnlicher Geist,
der die van Eycksche Schule ins Leben rief, wie der, welcher in
Italien fast gleichzeitig die Renaissance hervorbrachte. In beiden
Ländern geschah die Entwickelung echt national von innen heraus,
aber in seinem Ausdrucke in grundverschiedener Weise. In den
Niederlanden, wie in Deutschland, ergab sich die Stilveranderung
aus dem naturgemäss aus der Spätgotik herauswachsenden Realis-
mus, der aber in seinen Einzelheiten die Formgebung des Mittel-
alters bewalute, während in Italien zu der Rückkehr auf die seit
dem Eindringen der Lombarden verlassenen Wege der Antike
noch das leidenschaftliche Bestreben nach Abwalzungdes Fremden,
des politisch verhassten germanischen Wesens, das man mit dem
Gotischen für gleichbedeutend hielt, hinzutrat.
Die realistische Richtung hatte sich in Deutschland bereits um
die Mitte des 14. Jahrhunderts in der Buchmalerei angekündigt
und hatte auch damals schon das Porträtmässige und Landschaft-
liche in ihre Kreise gezogen, ganz wie dies gleichzeitig in Italien
der Fall war. Zum Unterschiede gegen die italienische blieb die
deutsche Malerei aber immer noch auf handwerklichem Boden
haften, in den Zünften, zu denen oft noch die verwandten Gewerbe
gehörten, und konnte deshalb dem freien Fluge der von allen
bürgerlichen Fesseln entledigten italienischen Kunst nicht folgen.
Überdies waren die deutschen Fürsten und der Adel damals ohne
ideales Interesse und steckten in Geldnot; die Bürger der Städte
waren zwar wohlhabend, aber sie waren noch ohne künstlerische