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Früh-
und Hochgotik.
die Halbfiguren von Propheten und Patriarchen herausschauen.
Mit der sauberen sicheren Formgebung verbindet sich liebens-
würdige Wärme der Empfindung. Die Ausführung ist schon ganz
mit dem Pinsel gemacht und erhält bereits den Schein plastischer
Rundung. Von gleicher Trefflichkeit der malerischen Ausführung
sind die beiden Vollbilder im Mariale des Arnestus, ersten Bischofs
von Prag (1344-66); sie zeigen Mariens Ostergang und die Ver-
kündigung (Prag, Böhmisches Museum). Eine minder geschickte
Hand zeigen die drei Bilder im Orationale des Arnestus ebendort.
Die Miniaturen in dem prächtigen Missale des Johann Ocko
von Wlaschim, Erzbischofs von Prag nach Arnestus, sind hoch
vortrefflich (Prag, Bibliothek des Metropolitankapitels). In dem
1376 vollendeten Pontifikalbuch des Albert von Sternberg, fünften
Bischofs von Leitomischl (Bibl. des Stifts Strahow in Prag), ist
das Widmungsbild mit der porträtartigen Darstellung des Kaisers
Karl IV. bemerkenswert. In den Abbildungen des von Thomas
Stitny (T nach 1400) in tschechischer Sprache abgefassten Lehr-
buchs christlicher Wahrheiten (Prag, Universit-Bibl. XVII, A. 6)
tritt ein derber realistischer Zug noch deutlicher hervor, verbindet
sich aber mit dem höiischen Sinne für das Anmutige zu hoher
poetischer Gesamtwirkung. Im Domschatz zu Prag befindet sich
ein Codex, Liber super Apokalypsim, mit trefflich ausgeführten
Federzeichnungen, etwa aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Ebendort ein Missale mit Miniaturen von Peter Brynchaty (Petrus
Ventrosus), der 1348 bei der Prager Malerbrüderschaft vorzukommen
scheint, und einige Blätter von einem geringeren Schüler, aus
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das Gebetbuch für Erz-
bischof Ernst von Prag (1- 1380) im Böhmischen Museum zu Prag
hat zwei grosse von Sbinko de Trotimz. gemalte Bilder, die Ver-
kündigung und die Darstellung im Tempel mit c. 0,15 m hohen
Figuren, die bei feinstem Schönheitssinn und edelster Darstellung
warmes Gefühl bekunden. Ebendort ein Liber viaticus von dem-
selben Meister, um 1360 geschrieben und mit den reichsten Initialen
geschmückt, in denen biblische Darstellungen von hoher Schönheit
und Vollendung vorkommen. Ein Speculum humanae salvationis
in der Stiftebiblißthek zu Kremsmünster erinnert in seinem
Bilderschmuck noch stark an das 13. Jahrhundert. Eine zweite
Handschrift desselben Inhalts in der Ambraser Sammlung in
Wien, etwa 1360 entstanden, entbehrt noch der naturalistischen
Züge. Eine edlere Leistung sind die Illustrationen der Concordantia
caritatis im Kloster Lilienfeld, die kurz nach 1350 an Ürt und
Stelle entstand. Es waren hier zwei Künstler thätig. Eine grosse
Anzahl von Bilderhandschriften sind mit dem Namen Wenzels, des
Sohnes Kaiser Karls IV., verknüpft; sie zeigen die französische