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Früh-
und Hochgotik.
Bilder in Deckfarbenmalerei, aber die Art der Komposition, der
derbe Farbenauftrag, die flotte Zeichnung weisen diese Hand-
schriften der eigentlichen Illustrationstechnik zu. Die Ab-
schrift in der Stuttgarter Bibliothek von 1881 entstand in West-
falen. Eins der ältesten Denkmale der französischen lllustrations-
technik in Deutschland ist die etwa 1280 in Süddeutschland, ver-
mutlich in der Nähe von Konstanz entstandene Liederhandschrift in
der König]. Handbibliothek zu Stuttgart, welche die Weingärtner-
handschrift genannt wird. Die 25 Bilder führen die Dichter der
Lieder vor. Die Umrisse sind mit schwarzen schweren Strichen
gezogen, die Lokalfarben sind gleichmässig aufgetragen. Die Ge-
stalten sind ausgebogen, schlank und kindlich. Zu den mit
schwach kolorierten Federzeichnungen ausgestatteten Handschriften
gehört ein Lectionarium im Kloster zum Heiligen Kreuz in Regens-
burg mit trefflichen Initialen und Miniaturen. Das Bild der
Kreuzigung füllt ein ganzes Blatt. Christus wird von drei weib-
lichen allegorischen Gestalten mit Nimben ans Kreuz geheftet.
Der Glaube schwebt als Brustbild einer gekrönten Frau zur Seite
des Kreuzes und fängt das Blut der Wunde auf, welche durch den
Lanzenstich der untenstehenden Braut dem Herrn versetzt wird.
Die Handschrift vom Anfang des 14. Jahrhunderts stammt aus
dem Katharinenkloster in Nürnberg. Eine Handschrift des Parzival
in München (Ood. germ. 19 cim. 28) enthält nur drei Bilder,
Ritter mit Pferden und Gezeiten auf grünem oder goldenem Grunde,
die Umrisse sind kräftig, die Färbung ist gering. Bedeutender ist
die Handschrift des Tristan ebendort (Ood. germ. 51), welche zahl-
reiche Federzeichnungen mit geringer Färbung enthält. Ein frischer
Hauch des Gefühls geht durch diese Bildchen. Geringer sind die
etwas späteren Miniaturen eines Evangelienbuchs aus Hohenwart
(Cod. pic. 49). Auf Goldgrund sieht man Maria mit dem Kinde,
Petrus und Georgius, Christus auf dem Regenbogen und die Evan-
gelisten, frisch gemalte, derbe Gestalten. Eine Nonne, wohl die
Malerin, kniet zu Marias Füssen. Hierher gehört wohl noch die
goldene Legende des Jacobus de Voragine mit feinen Feder-
zeichnungen (München, Cod. pict. 60), dann die Augustinerregel
aus Diessen, welche der Priester Luitpold geschrieben, mit den
Federzeichnungen der Maria, des Augustinus und des Stifters und
ein Antiphonar aus einem Frauenkloster (Ood. pict. 9), von der
Nonne Adelheid geschrieben, mit herrlichen Bilderinitialen auf
rotem Grunde. Man sieht hier die Heimsuchung, die Geburt
Maria und die Enthauptung der heiligen Ursula. Eine Armenbibel
in München (Cod. germ. 20), die um 1860 entstanden ist, über-
rascht durch den unverblümten Naturalismus der Charakteristik.
Die Gestalten tragen meist Modetracht. Die derbe Zeichnung ist