Buchmalerei.
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gefertigt, enthält Bilderinitialen, derb, aber mit frischer Phantasie
gezeichnet. Ein Antiphonar in der Bibliothek der Benediktiner-
abtei Seiten st etten, östlich von Steyr, aus dem 13. Jahrhundert,
im Stift selbst geschrieben, enthält Bilder auf Goldgrund, die schon
den Beginn des gotischen Stils verraten. Eine Bibel des 13. Jahr-
hunderts ebendort, angeblich aus Ungarn, ist mit zart ausgeführten
kleinen Initialbildern ausgestattet, in scharfen Umrissen und heller
Farbe. In der Bibliothek des Benediktinerklosters Götweih bei
Mautern befindet sich eine Bibel, etwa. vom Anfange des 13. Jahr-
hunderts, mit sehr kleinen, aber durch gute Zeichnung, grossartige
Haltung, lebendigen Ausdruck sehr bedeutenden Initialbildern.
An die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts wäre das wunderbare
Einzelblatt mit der Darstellung des heiligen Michael im Königl.
Kupferstichkabinett Berlin zu setzen, dessen Ürsprungsort un-
bekannt ist, welches aber als Endresultat in der Entwickelung der
Deckfarbenmalerei erscheint. Auf das Ende des 13. Jahrhunderts
Weist allein die feine mit der Feder gezogene Zeichnung des
Kopfes lmd der Hände, dann die Haarbehandlung hin. Die edle
Biegung des Leibes, der herrliche Schwung der Gewandung lassen
schon auf die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts schliessen,
ebenso der Teppichhintergrund.
Epoche
der Früh- und Hochgotik.
(Von 1260 bis 1400.)
Die Malerei entwickelt sich, wie in der früheren Epoche,
immer noch wesentlich auf nationaler Grundlage. Wenn auch der
französische Einfluss, der mit der eindringenden Gotik untrennbar
zusammengeht, sich einigermassen bemerkbar macht, so ist dies
doch vorzugsweise in der Buchmalerei der Fall, während Wand-
und Tafelmalerei die Grundzüge deutschen Wesen unverrückbar
festhalten. An die Stelle der Nachahmung älterer Typen tritt
jetzt überall eine selbständige, auf liebevoller Naturbeobachtung
fassende Auffassung der Gestalten und Begebenheiten, und der
alte Symbolismus mit seinen Fabelwesen und Tierformen ver-
schwindet allmählich aus dem Kreise der Darstellungen. Allerdings
wird die reale Naturwahrheit nur in beschränkter Weise erreicht,
denn schon der übliche goldene Hintergrund löst die Gestalten
VOm irdischen los, auch die Körperformen sind nicht richtig in
ihren anatomischen Verhältnissen, eigentlich bleiben die Köpfe
der Figuren allein die Träger des seelischen Ausdrucks. Aber für
diese Mängel entschädigt die Tiefe der Gedanken, die Innigkeit
und Wärme der Empfindung, welche den in dieser Art unüber-