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Spätromanische Epoche.
Tempeln drei der Evangelisten auf goldenem Grunde sitzen. Das
Kapitell mit den drei Gesichtern finden wir hier wieder. Die
Initialen, golden auf blaugriinem Grunde, wirken prachtvoll. Ver-
wandtschaft mit dem Vorigen hat ein Evangeliar aus Weihen-
stephan (Ood. Weihenst. c. pict. 33). Beim Kanon spielen die
Evangelistensymbole einträchtig Jniteinander. Dem Lukas hält ein
Drache das Tintenfass, der Adler scheint dem horchenden, greisen-
haften Johannes die Offenbarung mitzuteilen. Die Gesichter sind
noch hässlich, besser die Tier- und Pflanzenformen. Die Hand-
schrift stammt wohl noch aus dem Anfange des 12. Jahrhunderts.
Derselben Zeit und Art gehört ein Evangeliar aus Scheyern an
(Cod. Schyr. 28a), welches treffliche Goldinitialen auf blangrünem
Grunde und die Evangelisten unter Tempeln zeigt. Das berühmteste
Bilderwerk der Zeit ist das Evangeliar von Niedermünster in
Regensburg. Es ist mit grösster Pracht ausgestattet; alle Bilder
stehen auf Goldgrund. Am Anfange sieht man die Hand Gottes,
unter ihr gekrönte Gestalten, an den Ecken die Figuren der vier
Kardinaltugenden. Dann folgt Maria mit dem Kinde, ringsum
Mond, Sonne und Meeresstern. Unten kniet die Geberin, die
Äbtissin Uta. Das dritte Bild zeigt Christus am Kreuz, die Krone
auf dem Haupt, in langem aufgeschürzten Rock von Rosenfarbe,
.die goldene Priesterstola. wallt von den Schultern; er steht auf
einem Fussbrett. In den Medaillons des Rahmens sieht man oben
die Gestalten der Sonne und des Mondes weinend, in der Mitte
die Kirche mit Fahne und Kelch und die Synagoge, ein Weib mit
verbundenen Augen. In den zwei unteren Medaillons ist die Auf-
erstehung und der zerrissene Tempelvorhang dargestellt. Am Fusse
des Kreuzes steht rechts das Leben (Vita), eine Frau im rosa
Kleide mit einer Krone, links der Tod, eine wilde Figur in Aschen-
farbe mit struppigem Haar und einer tiefen Halswunde, die durch
einen vom Kreuzesstamm ausgehenden Schlangenkopf ihr bei-
gebracht wird, umsinkend mit gebrochener Lanze und Sichel u. s. w_
Ein der Nonne Diemut von Wessobruwn (1057-1 140) zugeschriebenes
Buch (Cod. Wessof. c. pict. 24) enthält die vier Evangelien mit
den Vorreden des Hieronymus. Den Anfang bilden wieder die
Kanones unter Tempelchen. Unter den sitzend dargestellten Evan-
gelisten zeichnßt sich besonders der greise Johannes aus. Viel vor-
züglicher sind die Initialen, häufig ganz aus sich verschlingenden
Drachen gebildet. Etwas später ist ein anderes Evangelienbuch
aus Wessobrunn (c. p. 89), gleichfalls mit den Bildern der Evan-
gelisten. Die Lichter sind hier weissblau aufgesetzt, der Falten-
wurf ist mit mehr Freiheit gebildet. Ein Evangelistarium aus der
Kollegiatkirche St. Nikolaus in Passau, ebenfalls in München
(Ood. lat. 16 O02), enthält eine grosse Zahl gebilderter Initialen in