Volltext: Malerei (Bd. 3)

Tafel- 
Buchmalerei: 
und 
Tirol 
Salzburg 
CtC. 
29 
in der Überfülle unruhigen Gefaltels. Die Felder sind durch 
plastisch vertretende Säulen, welche Rundbogen tragen, abgetrennt. 
In den vier Zwickeln oben vier Engel in Halbiiguren. Die Bilder 
haben Goldgrund. Ein Kruzifix in derPatroklikirche zu Soest 
zeigt auf der Rückseite den Gekreuzigten in altertümlich herber 
Malerei. Ein Antependium im Kloster Lüne bei Lüneburg, aus 
dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts stammend, zeigt in der 
mittleren Abteilung die Dreifaltigkeit, in den beiden seitlichen je 
vier Szenen aus der Geschichte Christi. Es sind gotische Einzel- 
heiten vorhanden.  Im Paulusmuseum zu Worms befindet sich 
ein Altarflügelbild aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts, aus der 
J ohanniskirche daselbst stammend. Der eine Flügel zeigt auf der 
Vorderseite die Gestalt des heiligen Petrus, auf der Rückseite die 
des heiligen Stephanus; der andere Flügel enthält auf der Vorder- 
seite den heiligen Paulus, auf der Rückseite einen heiligen Bischof. 
Die Darstellungen sind auf Goldgrund gemalt. Die Gewänder sind 
sehr mannigfaltig auch in der Farbe. Die Architektur erinnert an 
die Buchmalereien.  Eine Tafel in der Stiftskirche des fränki- 
schen Heilbronn mit vier Darstellungen aus der Geschichte 
Christi überträgt die kolorierte Ümrisszeichnung auf die Tempera- 
Inalerei. Der Altaraufsstz aus Rosenheim, im Nationalmuseum zu 
München (Saal II Nr. 22), gehört schon der Frühzeit des 14. Jahr- 
hunderts an, ist fein in der Zeichnung, erreicht aber nicht den 
Soester Altaraufsatz in Berlin. Der Rosenheimer Altar stellt die 
Krönung Marias und die zwölf Apostel dar.  
Die Buchmalerei wendet sich nun vielfach weltlichen Stoffen, 
den damals entstehenden grossartigen Dichtwerken zu und ver- 
sucht sich an diesen in selbständigen Gestaltungen. Die Initial- 
ornamentik hat indes ihren Höhepunkt überschritten; das ge- 
steigerte Empfindungsleben und der erwachende Natursinn drängten 
die Ornamentik zurück. Die Bandornamentik verschwindet fast 
vollständig, und auch die Pflanzenornamentik gewinnt andere Züge- 
Jetzt sondern sich von dem Rankenwerk Stengel, welche körper- 
haft dargestellte, krautige, oft bestimmten Naturformen nachgebildete 
Blätter tragen, und an Stelle der Knospen treten aufgeschlossene 
Blumen. In diesem Rankenwerk wird die Tiergestalt in realistischer 
Auffassung verwendet, allerdings mit Einschluss der Fabeltiere. 
Auch das Bilder-Initial wird wieder aufgenommen. Die Bilder- 
handschrift des Hortus deliciarum der Hewad von Landsberg, 
Abtissin des Klosters St. Odilien im Elsass, ist 1870 bei der Be- 
lagerung von Strassburg verbrannt, ist aber in Kopien erhalten. 
Das Werk wurde 1165 begonnen und etwa 1175 vollendet. In den 
Bildern zeigen sich kräftige Anfänge der neuen Entwickelung. 
Einzelne Kompositionen ahmen zwar noch alte Motive nach, aber
	        
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