930
III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
So hat auch die Facade ein hohes Spitzbogenfenster, an den
Seiten kleinere, sämmtlich mit den herkömmlichen Masswerken.
Aber die Fenster sind in antikisirende Rahmen gefasst, die Strebe-
pfeiler als mächtige dorische Pilaster entwickelt, die Portale
vollends, namentlich das mittlere, in den üppigen Formen des
Barocco durchgeführt. Endlich hat man die Facade mit einem
Thurmpaar eingeschlossen, dessen Lichtöifnungen denen der
romanischen Thurmbauten nachgeahmt sind, nur dass die kleinen
Theilungssaulen wieder dorische Kapitale zeigen.
Im Innern darf" die Ausstattung mit Schnitzarbeiten als ein
hochbedeutsames Werk bezeichnet werden. Die Beichtstühle in
den Seitenschiffen bilden, in Verbindung mit der zwischen ihnen
fortgeführten Wandvertäfelung eine unvergleichlich Wirkungsvolle,
elegante Bekleidung. Die Formen natürlich schon stark barock,
aber mit Feinheit gehandhabt, die Composition in ihrer Art ein
Musterstück, die Ausführung ebenso gediegen wie prachtvoll.
Der Kölner Profanbau dieser Epoche gipfelt in der herrlichen
Halle, welche man 1569 dem mittelalterlichen Rathhaus vor-
zubauen beschloss. Die älteren gothischen Theile des Gebäudes,
im Innern besonders durch den Hansasaal mit seinen Malereien
und Sculpturen, im Aeusseren durch den selbständig hinzugefügten
stattlichen Thurm ausgezeichnet, sind im Uebrigcn nicht von
einem der hervorragenden Stellung der Stadt entsprechenden Werthe.
Im Sinne der neuen prunkliebenden Zeit sollte nun eine jener
malerischen "Lauben" hinzugefügt werden, durch welche man
damals selbst den einfacheren älteren Rathhäusern erhöhten Glanz
zu geben suchte. Von allen derartigen Rathhauslauben der Renais-
sancezeit ist ohne Frage die Kölner die prachtvollste. Sie findet
hauptsächlich Analogieen an den Rathhäusern zu Halberstadt,
Lemgo, Herford, während man in Lübeck und Bremen weiter-
gehend sich zu ganzen neuen Facaden mit Bogenhallen entschloss.
Diese Lauben bilden im Erdgeschoss stets eine olfne Halle, welche
in Köln vor ihrer den neueren Bedürfnissen entsprechenden jüngsten
Umgestaltung zugleich als Stiegenhaus die in doppelten Laufen
aufsteigende Treppe zum Rathssaal enthielt. Das obere Geschoss
besteht abermals aus einer offnen Halle von vornehmen Verhält-
nissen, gleich dem ganzen Bau stattlich angelegt und reich ge-
schmückt (Fig. 251). In Oomposition, Gliederung und Ornamentik
spricht sich ein classicistischer Sinn aus, aber keineswegs in
trocknet," schulmässiger Weise, sondern noch mit dem anziehen-
den dekorativen „Spiel, der liebenswürdigen Freiheit, welche
sonst nur die Frührenaissance kennt. Dahin gehört auch der an der
oberen Halle zur Verwendung gekommene Spitzbogen, der gleich-