Kap
XVII.
Die nordwestlichen Binnenländer.
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zierlichem Laubornament bedeckt. Dazu reiche figürliche Reliefs:
Abraham und Melchisedech, die Mannalese, der Baum des Lebens,
oben das Abendmahl, dies Alles freilich nur Mittelgut.
In S. Gercon besitzt die Krypta einen treftlichcn Altar, der
um 1550 entstanden sein mag. Vier reich dekorirte Pfeiler, da-
zwischen und daneben vier Heiligenstatuen, und in der Mitte ein
Cruciüxus; darüber ein ziemlich kraus componirter Aufsatz, eben-
falls mit feinen Ornamenten der Frührenaissance bedeckt. Das
reich polychromirte Werk, dessen genauere Untersuchung die
Dunkelheit des Ortes sehr erschwert, ist aus einem feinen Tuff-
stein, der in der Eifel bricht, gearbeitet. Ein treffliches Schnitz-
werk ungefähr derselben Epoche ist in der Oberkirche das schöne
Orgel gehäuse durch feine lisenenartige Pilaster gegliedert und
mit elegant g-ezeichnetem Laubwerk geschmückt, dabei massvoll
vergoldet. (Die allerliebsten musicirenden Engel wohl ein späte-
rer Zusatz.) Das Ganze gipfelt hoch oben in drei luftig durch-
brochenen kuppelartigen Tabernakeln. Ein ungemein b1'illantes,
reich mit figürlichen "Darstellungen ausgestattetes Werk der
Schlussepoche dagegen ist das Sakramentsgehäuse. Es trägt
das Monogramm EH.
Aus derselben Spätzeit besitzt Maria Lyskirchen eine
prächtig barocke Orgel und am Hauptportal eine tüchtig ge-
schnitzte Holzthür von 1614.
Ein Hauptwerk vom Ausgang unserer Epoche ist aber die
grossartige Jesuitenkirche, von 1621-1629 erbaut, in der Aus-
stattung zum Theil noch später (1639.) Trotz des späten Datums zeigt
sie die so oft vorkommende Verschmelzung von Gothik und Renais-
sance, aber in ganz andrem Sinn als die Kirche zu Wolfenbüttel.
Hier in unmittelbarer Nähe des Meisterwerkes mittelalterlicher
Construction versteht man die gothischen Formen 110011 recht
gut und baut eine dreischiftige Kirche mit hohem Mittelschiff V01!
ansehnlichen Dimensionen. Da man der Predigt wegen viel
Raum bedarf, so giebt man den Seitenschitfen ein vollständiges
Obergeschoss, unten und oben mit klar entwickelten Sterngewvölben.
Diese ruhen auf schlanken Rundpfeilern mit antikisrrenden Kapi-
tälen, von Welchen sich aber in halber Sohafthöhe die unteren
spitzbogigen Arkaden ohne alle Vermittlung abzweigen. Auch
das Mittelschiff hat Netzgewölbe von einfach klarer Composition.
Die Fenster sind durchweg spitzbogig mit Masswerken? die frei-
lich nicht mehr sehr edel und organisch sich entfalten, aber doch
immer noch gutes Verständniss im Sinne der Spätgothil: bekunden.
Dies Alles sowie der polygon geschlossene Chor und die ebenfalls
polygonen Seitenchöre muthet noch völlig mittelalterlich an.
Kugler, Gesell. d. Baukunst. V. 59