Kap
XVII.
Die nordwestlichen Binnenländer.
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und Oberrhein, zwischen Norddeutschland und Holland und den
süddeutschen Gebieten. Noch jetzt erkennt man in dem gothischen
Rathhaus mit seinem prächtigen Hansesaal, in dem Gürzenich
und den grandiosen Befestigungen mit ihren Mauern, Thoren und
Thürmen die Macht des damaligen Bürgerthums, die im Kampfe
mit der geistlichen Gewalt endlich soweit erstarkte, dass die
Erzbischöfe gezwungen wurden ihre Residenz nach Bonn zu verlegen.
Die Renaissance freilich kommt in der Stadt, deren monumentale
Bedeutung im Mittelalter wurzelt, nur in bedingter Weise zur
Geltung. Der bürgerliche Privatbau ist auffallend dürftig, selbst
im Schluss der Epoche noch unscheinbar; die Rathhaushalle ist
der einzige profane Prachtbau. Etwas günstiger dagegen stellt
es sich in Werken kirchlicher Art. Doch auch hierbei handelt
es sich mehr um einzelne dekorative Arbeiten als um grosse
Gesammtconceptionen. Nur die Jesuitenkirche am Ausgang der
Epoche macht eine Ausnahme.
Bezeichnend für das Verhalten Kölns zu dem neuen Stile ist
der Umstand, dass das früheste Werk, mit welchem derselbe hier
auftritt, sich auf den ersten Blick als eine flandrische Arbeit zu
erkennen giebt. Ich meine den prächtigen, jetzt als Orgelempore
aufgestellten Lettner in der Capitolskirche, der nachweislieb im
Auftrage des kaiserlichen Raths und Hofmeisters Georg Hackenay
von einem Künstler in Meeheln gearbeitet und 1524 nach Köln ge-
bracht wurde!) Die reichgegliederte Architektur dieses pracht-
vollen aus weissem und schwarzem Marmor errichteten Werkes,
namentlich die gebündelten Pfeiler mit ihren Laubkapitälen, Gurten
und Basen, auch die Nischen der Brüstung mit ihren überschwänglich
üppigen Baldachinen zeigen ein originelles Gemisch von spät mittel-
alterlichen und Frührenaissance-Formen. Und zwar dies Alles
sowie der Stil der zahlreichen iigürlichen Reliefs und Statuetten
in einer Behandlungsweise, die sofort an ilandrische Arbeiten jener
Zeit erinnert. Die neuerdings veröffentlichten urkundlichen Nach-
richten bestätigen das Urtheil, welches aus dem künßtlerißehen Cha-
rakter des Werkes sich aufdrängt.
Es dauert nun noch eine Weile, ehe bei einheimischen Meistern
die Renaissance sich einbürgert. Die ersten Spuren fand ich bei
einem unscheinbaren Wandepitaph des 1539 Verstorbenen Anton
Keyfeld im nördlichen Chorumgang des Domes. Das kleine Denk--
mal, von Oandelabersäulchen mit hübschen Widderkopfkapitälen
eingerahmt und von einem Giebel bekrönt, enthält ein gutes Re-
lief der Auferstehung Christi, dabei der Verstorbene im Geleit
ÜVgl. L.
Ennen in der Zeitschr.
bild.
VII,
Kunst
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