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Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
hohe Giebelbauten, grösstentheils im Erdgeschoss mit Arkaden,
welche auf kräftige dorische Säulen gestellt sind und bisweilen
in zierlicher Renaissanceform mit Zahnschnittfriesen und dgl.
ausgebildet werden. Recht im Gegensatz zu den gothischen Fa-
caden verzichten sie auf jede vertikale Gliederung durch Pilaster
oder Lisenen, dagegen wetteifern sie erfolgreich mit jenen im
Reiz der durchbrochenen frei aufgelösten Silhouette. Voluten
und Schnörkel jeder Art bäumen sich in krausem Spiel gegen-
einander, und mit den gothischen Fialen wetteifern die alla Ru-
stika gebanderten Pyramiden sammt den Kugeln und den krö-
nenden Eisenblumen. Man erkennt hier so recht wie der Barock-
giebel durch die verschiedenen Stadien einer noch einfacheren
Frührenaissance sich aus der gothischen Form entwickelt hat. An
Mannigfaltigkeit und Feinheit in der Silhouette sind diese späten
Bauten den viel gleichartigeren des Mittelalters entschieden
überlegen.
Die Hauptbeispiele finden sich am Prinzipalmarkt; N0. 32,
33, 34, 35 (von 1612), 36 (von 1653), 37 (von 1657). Aehnlich
ebendort No. 43, 44, 48 (von 1627), die Arkadenbögen mit hüb-
schen Zahnschnitten gesäumt, ferner Bogenstrasse 31 und 36
(v. J. 1617), letztere ohne Arkaden. Bei allen-diesen Facaden
ist es auffallend, wie sehr jede plastische Gliederung der-Fläche
bis auf die durchlaufenden Gesimse vermieden ist und vielmehr
die ganze Kraft der Phantasie sich auf die Ausbildung der Sil-
houette des Giebels concentrirt.
Am Rathhaus ist die Rückseite in Renaissanceformen durch-
geführt. Iin Innern hat der Friedenssaal, sowie der Saal des
Erdgeschosses reiche Holzgetäfel der späten Zeit. Auch die Bett-
lade, angeblich von Johann von Leyden, ist beachtenswerth.
Im Dom ist ausser einer Anzahl guter Epitaphien und Altäre
nichts Bemerkenswerthes aus dieser Zeit. Der Kapitelsaal zeigt
eine Holzvertäfelung der Frührenaissance.
Der aus den Niederlanden eingedrungene Mischstil von Hau-
stein und Ziegelbau ist an dem interessanten Rathhaus zu Bocholt
in anziehender Weise vertreten.
Wie weit dieser Stil landeinwärts gedrungen ist, beweisen
zwei Privathäuser in Dortmund. Das eine am Ostenhell-
weg No. 5, ein Eckhaus mit hohem Seitengiebel vom Jahre 1607,
mit der lnschrift: Candori cedit invidia. Die Fenster haben
Entlastungsbögen in Rustika, die einzelnen Steine mit Köpfen
geschmückt. Die Flächen, jetzt getüncht, sind in Backstein aus-
geführt. Ein ähnliches Haus in derselben Strasse No. 1112, vom
Jahre 1619, hat noch unverputzte Flächen.