Kap. 1I.
Anfänge deutscher Renaissance bei Malern und Bildhauern.
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Architektur aber bei weitem nicht so edel durchgebildet ist. Die
ionischen Saulen haben geschweifte Schäfte; zu den Postamenten
sind hockende Satyrn verwendet.
Bei den Gemälden der Zeit kommt noch der Glanz der Farbe
und des Goldes hinzu, um die Renaissanceformen zur höchsten
Pracht zu steigern. Unerschöpilich ist die Erfindungslust in der
Darstellung schmuckvoller Waffen und Rüstungen, zierlicher Ge-
ritthe aller Art, reich ausgestatteter Kleider und Schmucksachen.
In diesen Werken könnten die heutigen Kunstgewerbe reiche
Anregung finden. Die Architektur geht dabei nicht leer aus. Sie
wendet nicht blos den ganzen Formenvorrath der Antike und der
Renaissance an, sondern sie fügt den Fai-benreiz einer üppigen
Polychromie hinzu, indem sie mit dem Schimmer bunter Marmor-
farben den Glanz der Bronze oder des Goldes verbindet. Ein
Muster dieser Art ist das Bild von Alld0rfer' in der Pinakothek
zu München 1) vom Jahre 1526, Bathseba im Bade darstellend.
Es ist erstaunlich, in Welche Unkosten der Künstler sich stürzt,
um den einfachen Vorgang in Scene zu setzen. Man sieht ein
ungeheurcs Schloss mit Thürmen, Kuppelbau und offenen Hallen,
Alles in buntem Marmor, die Kapitale von Gold. Eine grosse
marmorgepflasterte Terrasse mit Springbrunnen umgiebt das
Ganze. Marmortreppen führen hinauf und münden auf elegante
Portale. An den Arkaden sind die hängenden Schlusssteine der
Doppelbögen ganz in venezianischer Manier gehalten; auf Venedig;
deutet auch die Anwendung bunter Marmore und Vergoldungen.
Ohne Frage war es die phantastisch reiche Architektur der
Lagunenstadt, welche auf die damaligen deutschen Künstler am
meisten einwirkte. Die strengere Renaissance von Florenz und
Rom hatte ihrer Lust an bunten Farben und Formen weniger
zugesagt. Immerhin wurde es aber für die Entwicklung der
deutschen Renaissance entscheidend, dass sie in ihrem dekora-
tiven Hangc mehr auf prächtige Einzelheiten, als auf ein strenges
System bedacht war. Wie diese Richtung bei allen Meistern der
Zeit in Oberdeutschland, am Niederrhein und in Flandern sich
allgemein verbreitet, ist genugsam bekannt. Besonders die Pinako-
thek in München, aber auch jede andere grössere Sammlung
bietet Beispiele zur Genüge. Ich will nur auf den Meister vom
Tode der llfariafl) auf Bartholomitus de Bruyn, Bernhard von
Orley, Harri de Bles, Jan van Mabnse3) hinweisen. Von den
Nr. 69-71.
den Cabineten
1) VII Cabin. Nr. 138. 2) Z. B. Pinakothek. Cabin. V.
a) Die Pinakothek zu Blümchen enthält zahlreiche Beispiele in
V und VI.