Kap-
XVII.
nordwestlichen Binnenländer.
Die
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Niederhessen.
Hier ist zunächst 'der von den hessischen Landgrafen aus-
geführten Bauten zu gedenken. Die vielbewegte, durch die Stürme
der Reformationszeit erfüllte Regierung Philipps des Grossmüthigen
war einer stetigen Kunstpfiege nicht günstig. Dagegen tritt sein
Sohn und Nachfolger, Wilhelm IV der Weise (1567-1592) als
Freund der Wissenschaften und Förderer der Künste auf. Edlen
Sinnes, auch in religiösen Angelegenheiten sich einer milden Auf-
fassung zuneigend, vielseitig gebildet, dabei ein ebenso kraftvoller
als erleuehteter Regent, nimmt er unter den besten Fürsten jener
Zeit einen Ehrenplatz ein. Seine Lieblingsbeschäftigungen richteten
sich auf Astronomie und Mechanik; besonders aber war er ein
Freund der bildenden Künste und begann schon 1557 noch unter
seines Vaters Regierung den Grundstein zu einem neuen Residenz-
schloss in Cassel zu legen, dessen Goldner Saal, nach der Sitte
der Zeit mit fürstlichen Bildnissen geschmückt, erst 1811 durch
einen Brand zerstört wurde. Mit dem Schloss war auch hier ein
Lustgarten verbunden, der sich auf der Ilöhe in der Gegend der
jetzigen Bellevue ausdehnte und mit seltnen Pflanzen aus fernen
Ländern, mit türkischen Tulpen, orientalischen Hyacinthen und
dgl. ausgestattet war. Für die Myrthen und Oypressen, Granaten,
Lorber-, Citronen- und Feigenbäume erbaute er ein eigenes Pome-
ranzenhaus, in dessen oifnem Saale ein "Spritzbrunnen" seinen
Wasserstrahl bis zur Decke warf, und von dessen Galerieen und
Altanen der Blick die Gartenanlage der "Au" beherrschte. In
seinem daranstossenden Obstgarten pflegte der F üYSi trotz Seiner
Corpulenz das Geschäft des Pfropfens und Oculirens als gutßf
Hausvater und Landwirth selbst zu besorgen. Seine geliebte
Gemahlin, die sanfte Sabine von Würtemberg, unterstützte ihn in
solchen friedlichen Bestrebungen.
Von jenen Prachtbauten ist keine Spur mehr vorhanden;
nur die untergeordnetenBauten des Renthofes und des Marstalls
tragen noch das Gepräge jener Zeit. Aber in der ehemals kur-
hessischen, jetzt prenssisehen Enklave Schmalkalden zeugt das
stattliche Schloss, trotz arger Verwahrlosung (10611 111 Selllßf ganzen
Anlage noch vollständig erhalten, von der regen Bauthätigkeit
des edlen Fürsten. Als Schmalkalden 1583 nach dem Aussterben
der hßnllßbergischen Grafen an Hessen fiel, liess VWiIheIm lV
sofort die alte Burg Walrab niederreissen und an ihrer Stelle das
jetzige Schloss, die Wilhelmsburg CY1'ißht6I1-_ Von der mittelalter-
lichen Burg zeugt nur noch an der Ostseite ein unregelmässig