XVII.
Kapitel.
Die
nordwestlichen
Binnenländer.
In diese Schlussgruppe fasse ich Kurhessen, Westfalen und
den Niederrhein zusammen. Es sind Gebiete, welche für die
Entwicklung der Renaissance keine hervortretende Bedeutung be-
sitzen, wenngleich sie, zumeist aus der Spätzeit, manches werth-
volle Werk des Stiles aufzuweisen haben. Wieder spiegeln sich
auch hier in den Dcnkmalen die allgemeinen Kulturverhältnisse.
Das weltliche Fürstenthum, ein Hauptträg-ei- der Renaissancekunst,
kommt nur in den östlichen Theilen dieses Gebietes zu bedeu-
tendcrer Entfaltung: es sind die hessischen Fürsten, denen einige
ansehnliche Monumente verdankt werden. Weitaus aber herrscht
das geistliche Element vor; die mächtigen Diöeescn von Köln
und Trier, die kleineren von Münster, Osnabrück, Minden und
Paderborn, deren Territorien noch jetzt grösstentheils dem Katholi-
cismus angehören, sind keine hervorragenden Förderer der Re-
naissancekultur. In einzelnen kirchlichen Decorationswerken,
Grabmälern, Lettnern, Altären u. dgl. erschöpft sich hier die neue
Kunst. Erst im Ausgang der Epoche stellen die Jesuiten mehrere
grosse kirchliche {Bauten (Köln, Coblenz) als Denkzeichen der
Gegenreformation hin. Dagegen schlummert fast gänzlich die Kraft
des Bürgerthums. Abgesehen von einzelnen Prachtwerken (Rath-
haushalle zu Köln) treibt dasselbe hier bei Weitem nicht jene
unerschöpfliche Fülle von Monumenten hervor, welche an andern
Orten die Städte erstehen lassen. Selbst eine Stadt wie Köln
ist arm daran. Nur das Wesergebiet, soweit es in diese Gruppe
gehört, nimmt Theil an jener üppigen Nachblüthe der Schluss-
epoche, deren Spuren wir schon im vorigen Kapitel begegneten.
Neben den Steinbauten prägt sich auch hier der Holzstil mannicl1-
fach und anziehend aus. Und zwar in zwei gesonderten Gruppen.
Die östliche, dem hessischen Lande und den angrenzenden Theilen
Westfalens angehörend, schliesst sich im Charakter der Bauten
dem in Niedersachsen herrschenden System an. Die westliche,
an Rhein und Mosel auftretend, zeigt ein wesentlich abweichendes
Gepräge, das mit dem der mittel- und Südwest-deutschen Gruppe
zusammenhängt, diese aber zur edelsten und feinsten Entwicklung
fü rt.