900
Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
erinnert diese imposante Facade an die späteren Theile der
Hämelschenburg und darf wohl als Werk desselben Meisters be-
trachtet werden. Von demselben Stil, nur in etwas einfacherer
Behandlung, welche auf die reichen Pilasterstellungen verzichtet,
der gleichen Hand zuzuschreiben ist das grandiose Hochzeitshaus,
welches die Stadt mit ungewöhnlichem Aufwande 1610 errichten
liess. An den beiden Schmalseiten erheben sich kolossale reich
dekorirte Giebel und an der langen Strassenfront sind drei Dach-
erker mit ähnlichen Giebeln ausgebaut. Das Haus war nicht blos
für die Hochzeitsfeste der Bürger, sondern auch für andere öffent-
liche Zwecke und Versammlungen bestimmt. Endlich darf man
demselben Meister das Haus N0. 7 am Pferdemarkte zuschreiben,
welches der Bürgermeister der Stadt Tobias von Dempter 1607
für sich erbauen liess. Die unteren Theile sind in demselben
Stil von Sandstein ausgeführt, die oberen aber in reichgeschnitztem
Fachwerkbau. Ausserdem kommen auch reine Holzbauten vor;
so das schön geschnitzte Haus N0. 8 an der Osterstrasse.
Weiter südwärts herrscht in den Städten dieses Gebietes der
Holzbau vor. So in besonders eleganter Weise in Höxter, über
dessen Bauten ich mich hier kurz fassen kann, angesichts der
neuerdings erfolgten treiflichen Publikation. 1) Die Bauten zeigen
hier theils die Giebelform, theils die breitere Anlage, welche dann
durch Dacherker malerisch belebt wird. In der eleganten und
kraftvollen Durchbildung der Schwellhölzer, der Kopfbänder und
Consolen sowie der Fensterbrüstungen mit ihren vielfach variir-
ten Muschel- oder Fächerformen (Fig. 243) gehören sie unbedingt
zu den schönsten Schöpfungen dieses Stils. Musterhaft ist der-
selbe entwickelt an der Dechanei vom Jahr 1561, durch stattlichen
polygonen Erker ausgezeichnet; noch durchgebildeter an dem
Hütteschen Hause vom Jahr 1565, wo namentlich das Rundbogen-
portal eine herrliche Einfassung im besten Schnitzstil zeigt. Ein-
facher, mehr durch phantastisches Rankenornament belebt, der
Erker am Freisdschen Hause von 1569. An den späteren Häusern
geht der Holzbau zu einer völligen Nachahmung der Steinformen
der Renaissance über. So an dem reich behandelten Vorbau des
Wilkdschen Hauses von 1642 und an dem ungefähr gleichzeitigen
Erker und Thorweg des sogenannten Tillfschen Hauses.
Manches Interessante bietet die malerisch am Zuzammenfluss
der Werra und Fulda gelegene Stadt Münden. Zunächst das
ehemalige herzogliche Schloss, ein gewaltiger aber in hohem Grade
L
1) Seemanxfs Deutsche
Ab"b. entlehnt ist.
B. Liebold, welchem unsere
Renaiss. Heft 10 von