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Niedersachsen.
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Ausgang des Mittelalters zur Erscheinung!) Aber auch der
bürgerliche Wohnhausbau bleibt nicht zurück und erhebt sich
besonders in der Epoche der Renaissance zu edler Blüthe. Drei
verschiedenen Systeme begegnen sich hier: der norddeutsche
Backsteinbau, der nicht blos in den Kirchen, sondern auch in
den älteren Theilen des Rathhauses (1455 vollendet) eine glän-
zende Anwendung erfahren hat; der mitteldeutsche Fachwerkbau,
welcher u. A. in dem 1844 abgebrochenen Apothekeniiügel des
Rathbauses vom Jahre 1566 sich aussprach; und endlich der
durch die Renaissance eingebürgerte Quaderbau, der durch die
treiflichen Sandsteinbrüche des benachbarten Deistergebirges ge-
fördert wurde.
Ich beginne mit den Steinbauten, die eine besondere Fein-
heit in der Ausbildung des Renaissaneestiles bekunden. Das
Charakteristische ist hier, dass fast ohne Ausnahme die Häuser
ihre Giebelseite nach der Strasse kehren und dieselbe nach Höhe
und Breite ungemein imposant entwickeln. _Die Portale Sind im
Rundbogen geschlossen und kräftig, aber ohne Ueberladung aus-
gebildet. Horizontale Gliederungen theilen die Stockwerke und
verbinden die Fensterbrüstungen. Ebenso sind die hohen Giebel ge-
gliedert und an den Kanten durch Voluten und pyramidalß Aufsätze
belebt. Dagegen fehlt diesen Facaden die vertikale Theilung durch
Pilastersysteme. Ihren Hauptreiz gewinnen diese Bauten aber
durch die elegante Architektur der Fenster, welche Stets 91119
Einfassung und Theilung durch feine Säulenstellungen erhalten.
Um den malerischen Eindruck zu steigern, wird in der Regel ein
stattlicher Erker, rechtwinklig vom Erdgeschoss anfangend, vor-
gelegt, bisweilen auch sind in symmetrischer Anordnung deren
zwei angebracht. Sie erhalten durch gesteigerten Rßißhthllm 111
Gliederung und Ausschmückung den Charakter besonderer Pracht-
stücke.
Das Hauptwerk dieser Architektur ist das LeibnitZhß-us
in der Schmiedestrasse, rwelches dem grossen Philosophen als
Wohnung gedient hat. Es trägt das späte Datum 16522) und
verbindet damit den stolzen Zusatz: "Posteritati." In dem macht-
vollen Aufbau, der kräftigen plastischen Gliederung, dem reichen
figürlichen Schmuck am Erker, aus Scenen des alten und neuen
Testaments bestehend, gestaltet sich die Facade zu einer her-
1) Reichhaltiges Material in Aüfnahmen und histor. Darstellung in
MithofFs Archiv für Niedersächs. Kunstgesch. u. in dass. Verf. Kunst-
denkm. im Ilannöversehen. 1. Abth. 2) Die Angabe 1552 in Mitllofs
Kunstdenkm. I, 88 beruht auf einem Druckfehler-