Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

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III. Buch. 
Renaissance in Deutschland. 
ein Werk nicht bloss höchster decorativer Pracht, sondern auch 
edelster künstlerischer Anlage und Ausführung: In feinkörnigem 
Sandstein mit grösster Delicatesse gearbeitet schliesst er den 
Chor in ganzer Breite ab, nur von zwei Thüröffnungen durch- 
brochen, die ein prächtig stilisirtes Gitter von Schmiedeisen aus- 
füllt. Dazwischen baut sich eine Kanzel vor, die jetzt als Altar 
benutzt wird. Fein- dckorirte Pilaster und Friese gliedern den 
Aufbau und rahmen kleinere Felder ein, welche mit Reliefbildern 
aus de1' Passion und aus dem Leben der Madonna geschmückt 
sind. Ueber dem Hauptgesimse, das durch einen herrlichen Ran- 
kenfries vorbereitet wird, erhebt sich ein attikenartiger Aufsatz, 
von fünf nach der Mitte aufsteigenden, in der Höhe abgestuften 
Halbkreisfeldern abgeschlossen. Auf dem mittleren und höchsten 
erhebt sich ein g-rossartiges Cruzitix mit edel in Holz g-eschnitztem 
Christus; auf den beiden benachbarten Bogengiebeln Maria und 
Johannes. Die Consolen, auf welchen dieselben ruhen, werden 
von Candelabersäulchen unterstützt. Der edle Stil der Sculpturen, 
welche die innere und äussere Seite des reich geschmückten 
Werkes bedecken, erinnert etwa an Holbeinsche Gestalten, und 
auch die im Charakter zierlicher Frührenaissance durchgeführte 
Architektur, die im Aufbau und den Einzelheiten noch manche 
mittelalterliche Reminiscenz zeigt, steht in Anmuth und freiem 
Schwung den Schöpfungen jenes Meisters nahe. Man darf nach 
Alledem gewiss nur an einen deutschen Künstler denken, der 
hier in Stein "ein Werk geschaffen hat, welches hinter dem Meister- 
werk deutschen Erzgusses, dem Sebaldusgrabe Peter Vischefs 
kaum zurücksteht. Um so schwerer empfindet man die Unmög- 
lichkeit, Namen und Herkunft eines so hervorragenden Künstlers 
nachzuweisen. Erkennen wir indess mit Freuden an, dass die 
Geistlichkeit in Hildesheim das herrliche Werk zu schätzen 
weiss. Möchte dasselbe niemals eine Barbarei zu erfahren haben, 
wie der grossartige spätgothische Lettner des Domes zu Münster, 
der von den tonsurirten Vandalen vor Kurzem schmählich be- 
seitigt worden ist. 
Eine besondere Bedeutung nimmt nun auch die Stadt Han- 
nover in Anspruch. Seit dem 15. Jahrhundert der Hansa ange- 
hörend, zeigt die Stadt seit jener Zeit in ihren Mouumenten deut- 
liche Spuren wachsender Macht und künstlerischen Sinnes. Nicht 
blos in kirchlichen Werken, sondern auch in städtischen Profan- 
bauten, wie dem mächtigen Rathhaus, kommt dies schon im
	        
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