Kap. II.
Anfänge deutscher Renaissance bei Malern und Bildhauern.
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Messung mit Zirkel und Richtscheit", auch aus der grossen An-
zahl von Entwürfen und Zeichnungen architektonischen und per-
Speetivischen Inhalts, grösstentheils Vorstudien zu diesem Werk
jetzt im British-Museum. Manches darunter hat er offenbar
in Italien gesammelt, wie denn mehrere Blätter Beischriften in
italienischer Sprache haben. Antike Säulenkapitale und andere
Details kommen mehrfach darin vor.
Auch für das Kunstgewerbe hat Dürer Einiges gezeiehnetß)
obwohl er dabei weder die Universalität noch die Fruchtbarkeit
Holbeiifs besitzt. Mehreres der Art findet sieh in der reichen
Sammlung von Handzeichnungen, welche die Bibliothek in Dres-
den bewahrt. Auf einem Blatte (XVI) sieht man sechs leicht
und geistreich entworfene gothischc Pokale, dabei mehrere
Doppelpolaale. Wie rasch und sicher sie hingeworfcn sind, er-
kennt man aus jedem Federstrich und aus den beigeschriebenen
Worten: „Morgen will ich ihrer mehr machen." Während hier
die gothische Naturalistil; noch völlig herrscht, sind auf anderen
Blättern die antiken Formen zur Anwendung gebracht; so auf
Blatt XVII, wo eine Vase mit Deckel in reichem Renaissance-
Stil, mit fünfmal variirtem Fuss sich findet. Aber auch hier kann
der Meister im Ornament, namentlich dem Laubfries der oberen
Hohlkehle, sich nicht ganz vom gothischen Naturalismus frei-
maehen. Strenger ist der Entwurf einer Vase mit Deckel auf
Blatt XXXVII, aber man fühlt dem Ganzen die Mühe an und
möchte es kaum für eine Dürefsche Zeichnung halten. Die voll-,
endete Schönheit und Freiheit im Aufbau, im Zug der Linien
und im Ornament, welche Holbein in seinen derartigen Arbeiten
Zeigt, finden wir bei Dürer nur da, wo er sich ganz der gothi-
sehen Form hingiebt. Sie ist ihm zur andern Natur geworden
und kommt ihm selbst in rein antiken Compositionen, wie in den
Säulen und dem Kapital auf Blatt XXXVI immer wieder in den
Weg. Dieselben Wahrnehmungen wird man an den zahlreichen
ähnlichen Entwürfen machen, welche namentlich in der Albertina
Zu Wien und der Ambraser Sammlung daselbst bewahrt werden.
So erkennen wir in Dürer am klarsten die Gährung', welche das
künstlerische Bewusstsein der Zeit durchzumachen hatte, den
lang andauernden Kampf der neuen Anschauung; mit den Tradi-
tionen des Mittelalters, während Holbein sich sogleich als Sohn
der neuen Zeit fühlt und sich schnell für ihre Formen ent-
scheidet.
Albr. Diirefs Einüuss
Nürnberg 1871. 4".
auf
die Kunstgewerbe.
Vortrag v
Bergau.