Kap-
XVI.
Niedersachsen.
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baues (Fig. 238). Die ganze Faeade wird mit Holz verkleidet,
so dass alle Theile der Construction bis auf die als kräftige Con-
solen entwickelten Balkenköpfe mit ihren Stützen verhüllt werden.
Die Sehwellbalken bilden einen durchlaufenden Fries, der mit
Ornamenten bedeckt ist. Eine eonsequente vertikale Theilung
wird durch flaehgesehnitzte eingeblendete Säulen, Pilaster oder
Hennen bewirkt. Ihre Fort-
setzung und Verbindung erhal- "f äl Ääßß [l lfl
ten die einzelnen Systeme durch i, n
die pilasterartige Eintheilung der
breiten Friese, welche die Fen- i. i
sterbrüstungen bedecken. An
diesen entfaltet sich in" ügür-
liehen Reliefs der unersehöpf- f
liche Reichthum dieser Schule. '
Antike Mythologie undGeschich- Ü ,
te, altes und neues Testament, h.
Allegorie und Parabel schütten E; s,
hier ihren reichen Inhalt aus.
Verbindet man damit die zahl- I!
reichen meist sententiösen In- j
sehriften, so erhält man einen 1' A
Blick in die Anschauungen jener
Zeit, der wohl einmal vom f '
Standpunkt der Kulturgeschichtc , .5
ausführlichere Darstellung ver-
diente. Um die zierliche An-
muth des Ganzen zu vollenden,
sind alle Hauptlinien durch die
feinen Glieder antiker Kunst, " "i? l
durch Zahnsehnitte, Consolen, Fig. 23a. Detail von einem Hause zu
Perlschnur und Eierstab belebt. mmesheim'
Eine wahrhaft classische An-
muth ist über diese Werke ausgegossen, die den Mangel eines
constructiven Grundprinzips der Ornamentik übersehen lässt, und
selbst mit dem häufig hervortretenden Ungeschick im Figürliehen
aussöhnt. Bei alledem kann man keinen Augenblick vergessen,
dass diese unermesslich reiehe Schnitzkunst, die in der ganzen
Bevölkerung eine allgemein verbreitete Lust an heiterem Schmuck
des Lebens voraussetzen lässt, hier durchaus in den Dienst eines
malerischen Prinzips getreten ist, welches in dem bescheidenen
Relief dieser Flächendekoration sein Gesetz offenbart.
Ich beginne mit dem Musterbeispiel dieses Stiles, dem Wede-