Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

XVI. 
Niedersachsen. 
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Holzhäusern Deutschlands wohl unbestritten als das grossartigste 
dasteht, dem Knochenhaueramthaus, an der nordwestlichen Ecke 
des Marktes. Es ist ein riesig aufgethürmter Giebelbau, im Erd- 
geschoss mit zwei kleinen Erkern ausgestattet, darüber die Fen- 
ster eines Halbgeschosses, in der Mitte ein weites Bogenportal, 
das in feiner Einfassung mit geschnitzten Candclabersäulchen, 
Putten und Fcstons den frühen Eintritt der Renaissance bezeichnet. 
Darüber erheben sich, mit weit vorgestreckten Balkenköpfen 
herausgebaut, vier obere Stockwerke, von denen zwei dem Giebel 
angehören. So bewirken fünf Reihen mächtiger Consolen mit 
ihrem reichen Schnitzwerk, verbunden mit den ebenso verschwen- 
derisch dekorirten Schwellbalken einen unvergleichlich malerischen 
Effect. Die Behandlung der Formen weicht aber von dem in 
Braunschweig und Halberstadt Uebliehen erheblich ab und be- 
gründet die später an allen Hildesheimer Bauten wiederkehrende 
Auffassung. Diese besteht darin, dass die feine durch Auskehlen, 
Einkerbcn und Unterschneiden gewonnene plastische Gliederung 
fortfällt, und an ihrer Statt die Schwellbalken in rechteckigem 
Durchschnitt einen ununterbrochenen Friesstreifen darstellen, der 
mit iiachgeschnitzten Ornamenten ausgefüllt wird. Ebenso erhält 
die Unterseite der Hölzer zwischen den Balkenköpfen eine Ver- 
schalung, auf welcher ornamentale Muster aufgemalt werden. 
Einerseits erkennt man in dieser Vereinfachung der Grundform 
die Einwirkung des Steinstils, andrerseits in dem Zurückdrängen 
plastischer Gliederung das Streben nach malerischer Dekoration. 
Auch die Fensterbrüstungen werden durch aufgemalte Facher- 
muster belebt. (Das Haus ist in neuerer Zeit trefflich restaurirt 
werden). 
Unerschöpiiich reich ist der plastische Schmuck an dieser 
grossartigen Facade. An den Consolen herrschen mittelalterliche 
Elemente vor, in derber humoristischer Auffassung; in den Friesen 
dagegen sind die Motive der Frührenaissance in musicirenden 
und spielenden Putten, in Blumen- und Fruchtschnüren, in Cande- 
labersaulchen u. dgl. überwiegend. An der Seitenfacade dagegen 
sind die mittelalterlichen Formen, die gothischen Blattranken 
u. dgl. noch in Kraft. Die Behandlung des Einzelnen ist von 
verschiedenem Werthe, die Friese der Hauptfront von grosser 
Tüchtigkeit. 
Ausser diesem monumentalen Prachtstück giebt es nur 
wenige Bauten hier, welche den Charakter der Frühzeit tragen 
und damit noch Elemente der Spätgothik verbinden. Ein Haus 
derSchelenstrasse v. J. 1540 zeigt eine grosse Einfahrt, geschmückt 
mit Renaissancesäulchen und phantastisch verschlungenen Drachen;
	        
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