Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

Kap. XVI. 
Niedersachsen. 
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sieht man am Sack No. 9. Ebendort No. 5 ist dann das Pracht- 
stück dieser Decoration, die sich an allen Iilächen, unter den 
Fenstern, an den Kopfbandern und Füllhölzern, den Schwellen, 
den Fensterrahmen und sämmtlichen Pfosten in überschwänglichem 
Reichthum ausbreitet." Die Elemente der Renaissance in Delphinen, 
Candelabern, Putten, Gottheiten und Helden des Alterthums sind 
noch unbefangen mit allerlei Mittelalterlichem, mit Genrescenen, 
Possenhaftem und Unfläthigem gemischt. Es ist ein wahrer 
Fasching der Phantasie. (Ich glaubte die Jahrzahl 1536 zu lesen). 
Um diese Zeit taucht ein neues Motiv für die Decoration 
der Schwellhölzer auf: eine Verschlingung von Zweigen, die fast 
wie Bänder aussehen und: friesartig sich ausbreiten. So zeigt es 
in der Wendenstrasse N0. 49 ein Haus vom Jahre 1545, wo zu- 
gleich die Fensterpfosten hübsch mit Ranken geschmückt sind. 
An der alten Waage (Fig. 235) kommt dies Motiv im obersten 
Stockwerk vor. Aehnlich, nur einfacher die kleinen Hauser am 
Werder 34 und 35. Dasselbe Motiv am Burgplatz N0. 2 vom 
Jahre 1573, ferner am Papenstieg N0. 2 vom Jahre 1581, endlich 
in besonders schöner Ausbildung am Wilhelmsplatz N0. 8 vom 
Jahre 1590, mit der? Inschrift: „Was menschlich Vernunft für un- 
möglich acht, das hat Gott in seiner Macht." 
Um diese Zeit erfahrt der Holzbau seine letzte Umwandlung. 
Der Steinbau der durchgebildeten Renaissance beginnt auf ihn so 
stark einzuwirken, dass die Formen desselben fortan einfach in 
Holz nachgeahmt werden. Bisher waren die Glieder durch Ab- 
fasen und Einkerben, durch Auskehlen und Unter-schneiden 
recht im Sinne der Holzconstruktion ausgebildet worden. Diese 
Behandlungsweise tritt jetzt zurück und macht der Nachahmung 
antiker Bauglieder Platz. Die Balkenköpfe werden mit Vorliebe 
als Consolen mit elegant geschwungenem Profil dargestellt, die 
Schwellbalken durch Zahnschnitt, Eierstab und Perlschnur im 
Sinn der Antike ausgebildet, das Ganze freilich nicht mehr im 
Sinn einer nach mittelalterlichem Prinzip aus der Construktion 
hervorgegangenen Dekoration, sondern einer freien Ornamentik, 
die den Mangel construktiver Nothwendigkeit durch den Reiz 
einer edlen Forrnenwelt zu ersetzen sucht. "Dazu gesellt sich oft 
eine weiter gehende Flächendekoration, die ebenfalls ihre Motive 
aus der Ornamentik des Steinbaues der Spätrenaissance schöpft. 
Die üppigste Blüthe dieser letzten Entwickelungsreihe werden 
wir in Hildesheim antreffen. Braunschweig besitzt indess einige 
charakteristische Beispiele. So am Bohlweg N0. 47 ein Haus 
von 1608, reich mit Flachornamenten geschmückt, selbst die 
Unterseite der Schwellhölzer mit Metalldecoration bedeckt, auch
	        
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