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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
Voluten, deuten schon auf ziemlich späte Zeit des 17. Jahr-
hunderts. Wie spat hier noch gebaut wurde, beweisen auch die
Jahrzahlen 1657 und 1658 an den Giebeln der Südseite. Anstatt
des vorhandenen abscheulichen Thurmbaues gebe ich nach einer
alten Abbildung das ursprüngliche Project des Baumeistersß)
welches uns eine der elegantesten Thurmcompositionen der Re-
naissancezeit verführt.
Im Innern zeigt sich ein Hallenbau von lichter Weite und
schönen Verhältnissen, durch die hohen Fenster reichlich beleuch-
tet. Aber auch hier sind die gothischen Construktionen in Re-
naissanceformen übersetzt. Namentlich gilt das von den acht-
eckigen Pfeilern. Sie sind auf hohe Sockel gestellt und mit zwei
Bändern gegürtet, welche Friese von Engelköpfen und Blumen
enthalten. Auf originelle Weise (Fig. 234) wird am oberen Ende
durch vertretende Consolen der Uebergang in's Viereck und in die
breiten Gurtbögen der Gewölbe vermittelt?) Die überaus hohen
Gesimse, die sich hier bilden, erhalten in grosser Mannigfaltigkeit
reichen Schmuck durch Blattwerk im Stil des beginnenden Ba-
rocco, durch ausgebogene Schilder im bekannten Leder- und
Metallstil, durch Früchte, Engelköpfe und anderes tigürliche Bei-
werk in grotesker Ueberladung. Auch die Gewölbrippen sind,
wie man aus unserer Abbildung sieht, durch antike Eierstäbe
eingefasst und haben in der Mitte eine vorgesetzte Perlschnur.
In den Wänden der Seitenschiife entsprechen den Pfeilern grosse
Consolen von ähnlich reicher Behandlung. In der Thurmhalle
sieht man ein gothisches Netzg-ewölbe mit reich ausgebildetem
herabhangendem Schlussstein in ähnlichen Formen. Noch ist zu
bemerken, dass die Seitenflügel des Querschiffes rechts als fürst-
liche Gruft, links als Sakristei vom Hauptraum abgetrennt sind.
Die Wirkung des Innern wird durch die moderne Tünche, welche
alle; Theile bedeckt, etwas beeinträchtigt. Auch die Holzschnitz-
werke, die ursprünglich bemalt waren, sind jetzt mit Oelfarbe
überstrichen. Entstellend wirken ferner die beiden im nördlichen
Seitenschiü" über einander eingebauten Emporen. Dagegen ge-
hört die Empore im südlichen Schitf mit gemalter Brüstung auf
korinthischen Holzsäulen zur ursprünglichen Einrichtung.
Ein stattliches Werk ist der H0 chaltar, freilich schon stark
barock und in's Malerische übertrieben. Doch ist als bemerkens-
werthe Nachwirkung mittelalterlicher Sitte die durchgängige An-
Aus M. 'G0sky, Arbustum Augustgeum,
Kirche in ausgeführtem Stich dargestellt 1st.
Zeichnung- des Herrn Vo g es.
wo auch das
2) Die Abb.
Innere der
nach einer