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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner
Thcil.
zu unterrichten. 1) Von Meister Jacopo de Barbaris, den er
einen „guten lieblichen Maler" verehrt, bemüht er sich auf alle
Weise, aber zu seinem Kummer vergeblich, die Lehre von den,
Verhältnissen des menschlichenKörpers gründlich zu erfahren,
So gross ist sein Verlangen danach, dass er sagt, er hätte lieber
die Meinung jenes Meisters kennen lernen wollen als ein neues
Königreich. i) Wie schwer es dem trefflichen Manne geworden
ist, 'die Kunst wissenschaftlich zu begründen, liest 1113,11 nicht
ohne Rührung in seinen eigenen Gestandnissen. Für die Befrei-
ung der Kunst aus den Fesseln des Mittelalters, für die Herbei-
führung einer neuen Zeit hat er schon deshalb mindestens ebenso
Durchgreifendes gewirkt wie Holbein, weil er in Nürnberg blieb
und von dort aus fast auf alle gleichzeitigen Künstler Deutsch-
lands den grösstcn Einfluss gewann. Ucber seine theoretischen
Bestrebungen wird an anderem Orte zu reden sein; hier gilt es
zunächst festzustellen, wie weit er die Formen der Renaissance
sich zu eigen gemacht und zur Anwendung gebracht hat,
Man sieht bald, dass Dürer bei weitem nicht in dem Grade
wie Holbein das Bedürfniss hat, seine Compositionen mit archi-
tektonischen Einfassungen und Hintergründen auszustatten. Er
liebt es weit mehr, die Scenen in landschaftliche Umgebungen
zu verlegen. Der Reiz dieser Hintergründe ist so gross, es
spricht sich in ihnen die Innigkeit deutscher Naturempfindung
in so hohem Grade aus, dass sie für sich einen selbständigen
Werth behaupten, und dass der Meister (ladurch dcr Vater der
nordischen Landschaftsmalerei geworden ist. Wo er (lag-egen
architektonische Einfassungen gicbt, da sind dieselben in der
Regel von einfachster Anlage, sehr häufig, ja überwiegend noch
mit dem etwas (lürren und krausen gcthischen Laub- und Ast-
werk ausgestattet. So sieht man es namentlich in der Holzschnitt--
folge des Lebens der Maria, z. B. auf dem Blatte der Beschnei-
dung (Bartsch 86) und dem der Vermählung (B. 82). Freilich
wendet er den Rundbogen dabei an, bringt auch mit Vorliebe
Säulenstellungen, die sicherlich von ihm als Renaissanceformen
gemeint sind, wie sie denn wiederholt mit antikisirendem Gebälk,
z. B. auf der Darbringung im Tempel (B. 88) verbunden sind_
Aber eben auf diesem Blatte erkennt man an den Details, 11ament-
lieh aus den Saulenbaserl und Kapitalen, wie wenig der Meister
daran denkt, die antiken Formen genau wiederzugeben. Ja die
naturalistische Sitte der Spätgothik sitzt ihm so tief im Blute,
T1) A. v. Zahn, Die Diirerhandschriften
Jahrb. für Kunstwissenschaft. I. S. 14.
Campds Reliquien. S. 30.
des britischen Museums, in den