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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
fungirte, nachmals die ansehnliche Marienkirche zu Wolfenä
begann und nach seinen Plänen grossentheils vollendete. Er s V i.
1615 im Alter von 77 Jahren als herzoglicher Bau-Director. Dass?
er zu den hervorragendsten Meistern unserer Renaissance gehört,
wird die Betrachtung seiner beiden grossartigen Schöpfungen
da1'thun.
Das Juleum ist ein mächtiger Bau, etwa 130 Fuss lang bei
40 Fuss Breite, durch die bedeutenden Verhältnisse, die enormen
Stockwerkhöhen, die reiche Pracht der Ausführung in einem noch
mässig barocken Renaissancestil imposant wirkend1). Gewaltig
hohe mit Säulenstellungen und Statuen geschmückte Giebel zieren
den Bau von allen Seiten nach aussen gegen die Strasse, (Fig. 231)
an beiden schmalen Enden sowie an der innern Hofseite. Bei
letzterer wird auffallender Weise der mittlere Giebel durch den
gleichzeitig vorgelegten polygonen Treppenthurm grösstentheils
verdeckt. Dem ungewöhnlich hohen Erdgeschoss entspricht ein
nicht minder bedeutendes oberes Stockwerk, beide durch riesige
Fenster mit steinernen Stäben, unten. viertheilig, oben dreitheilig,
erhellt. Die Behandlung dieser Fenster, unten mit hineingezeich-
neten Kreisen, oben mit andern willkürlicheren Formen lässt eine
dunkle Reminiscenz gothischer Fensterbehandlung erkennen. Da-
gegen ist die Composition der Portale und die reiche Gliederung
der Flächen in den acht hohen Giebeln des Gebäudes eine völlig
durchgebildete Renaissance, etwa dem Stil des Friedrichsbaues
zu Heidelberg entsprechend. Auf den Absätzen der Giebel stehen
kühn bewegte Figuren von Kriegern, welche mit ihren Hellebarden
den Umriss prächtig beleben. Auf dem Gipfel jedes Giebels sieht
man Statuen von Tugenden. Sämmtliche architektonische Glieder
und Ornamente, Gesimse, Ecken und Einfassungen sind in Sand-
stein ausgeführt, die Flächen dagegen verputzt.
In das untere Geschoss, welches zu vier Fünfteln einen ein-
zigen grossen Saal, die Aula, ausmacht, mündet rechts neben dem
Thurm ein überaus reiches triumphbogenartig componirtes Portal,
mit vier ionischen Säulen eingefasst und von einer hohen Attika
bekrönt, mit Statuen und Reliefs geschmückt. Ein kleineres, aber
nicht minder elegantes Portal führt in das Stiegenhaus. Der
Thurm erhält durch eine auf mächtigen Consolen ruhende Galerie
eine wirksame Bekrönung. Darüber steigt das geschweifte Kuppel-
dach auf, und eine schlanke Spitze über einer Laterne bildet den
Abschluss.
Die historischen Notizen verdanke ich Herrn Lehrer Th.
Wolfenbüttel.
Voges in