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Anfänge deutscher Renaissance bei Malern und Bildhauern.
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Welt voll köstlicher Erfindung, und g-ewviss hat keiner von unsern
Meistern so viel dazu beigetragen, die ganze Wirklichkeit mit
dem Hauch der Schönheit zu durchdringen, wie Holbein.
War der Sinn für die Renaissance in Deutschland zuerst von
Augsburg ausgegangen, so entwickelte sich dort die neue Rich-
tung alsbald zu grosser dekorativer Pracht. Wir können dies
besonders noch an den Arbeiten des Grabstiehels erkennen, und
namentlich sind die Werke Daniel Hopferär bezeichnend dafür.
Vom Jahre 1518 datirt das grosse" Tahernakel (Baitsch Nr. 21),
Welches in drei Stockwerken mit offenen Bogenhallen sich auf-
baut, unten mit der heiligen Sippschaft, darüber mit dem G6-
kreuzigten und zuletzt mit der Himmelfahrt Christi. Es ist eins
der üppigsten Werke deutscher Renaissance voll Freiheit und
Phantasiefülle. 1) Die Zeichnung des unteren Stockwerks in
grösserem Maassstabe und schöner als der ausgeführte Stich be-
sitzt das Museum zu Basel. Weit schwerere, plumpere Formen
zeigt das grosse altarartige Tabernakel desselben Stecher-s (B.
Nr. 20), dessen Formen direct auf Venedig, ja speciell auf die
Scuola di Sau Mareo hinweisen. Unter den übrigen Arbeiten
Hopfefs sind namentlich die Nummern 13, 19, 25, 26, 34, 39,
44, 45, 96, 99 und 109 beaehtenswerth.
Ganz anders gestaltet sich das Verhältniss zur italienischen
Renaissance bei Albrecht Dürer. Sein Wesen ist weniger auf
frisches unbekümmertes Erfassen des Lebens, vielmehr auf grü-
blerisches Versenken und gedankenvollen Tiefsinn angelegt. Auch
er dcrnt zeitig die neue italienische Kunst kennen und weiss sie
Wohl zu schätzen. Schon bei seinem Aufenthalt in Venedig im
Jahre 1506 erkennt er den Gegensatz seiner Kunst zu der dor-
tigen, ist sich aber auch seines eigenen Werthes -wohl bewusst.
Treuherzig berichtet er seinem Freunde Pirkheimer, dass die
Welschen Maler ihm feind seien und seine Erfindungen zu ihren
Gemälden benutzen, nachher aber über seine Kunstwerke schelten,
sie seien nicht antikischer Art und deshalb nicht gut?) Dürer
strebt weniger als "Holbein, sich die Formenwelt der italienischen
Renaissance zu eigen zu machen; dagegen fahndet er überall auf
theoretische Belehrung, und wo er diese gewinnen kann, da.
scheut er keine Mühe, kein Opfer. Nach Bologna reitet er, weil
ihm Jemand versprochen hat, ihn dort „in heimlicher Perspeetive"
Ob die Inschrift: sEece opus fecit PhilippusAdler patricius MDXVIII"
auf einen Künstler oder auf den Stifter des Werkes geht, ist meines Wissens
noch nicht ausgemacht. Dass es übrigens unter den Augsburger Patriciern
ausübende Künstler gab, wissen wir ja. 2) Campds Reliquien. S. 13.