Kap. II.
Anfänge deutscher Renaissance bei Malern und Bildhauern.
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der Renaissance. Holbein handhabt das Ornament in demselben
Sinne wie alle grossen Meister jener Zeit: es soll nur schmücken,
nicht nebenbei noch Etwas bedeuten. Und das ist das einzig
Richtige für die ganze Gattung. Viel Willkür läuft in Auswahl
und Zusammenstellung der Motive überall mit unter; aber Ver-
gessen wir nicht, dass das Ornament nur ein heitres Spiel Sein
Soll und will. Zwängt man ihm allerlei tiefere Tendenzen, sym-
bolische Bezüge auf, so raubt man ihm die künstlerische Frei-
heit und beschwert es mit einem Ballast, der für seine zarten
Glieder zu schwer wird. Nur das tektonisch Widersinnige ist zu
Verdammen; im Uebrigen muss man alle Freiheit lassen. Zu
den schönsten Arbeiten Holbeins gehören die Entwürfe für Ge-
fässe aller Art, von einfachen Kannen und Bechern bis zu reichen
Pokalen und ganzen _Tafelaufsatzen. Das Baseler Museum
besitzt einen Schatz solcher Zeichnungen, aus denen wir zwei
Beispiele in Facsimile geben. 1) In dem einfacher Becher (Fig. 4)
erkennt man die sichere Hand des Meisters, der aus dem Noth-
wendigen das Schöne mit Freiheit zu entwickeln weiss; der
schlanke Aufbau, die feine und doch markige Silhouette, die
wirksame Gliederung und das passend angebrachte Ornament
stempeln dies Werk zu einem mustergültigen. Wie lebendig wirkt
im Gegensatz dazu der prächtige Pokal (Fig. 5), dessen Umriss
mit figürlichen Ornamenten reicher belebt und seiner Bestimmung
gemäss ausgebildet ist! Zum Schönsten dieser Art gehören einige
Von Wenzel Hollar gestochene Blätter; an Beichthum aber über-
trifft alle andern der Entwurf für den Festpokal der Jane Seymour
in der Bodleianischen Bibliothek zn Oxford. 2) Hier sieht man
auch, wie der Künstler durch Anwendung von Gold, Perlen und
edlen Steinen' jene farbige Wirkung erstrebte, in welcher die da-
malige Goldschmiedekunst mit Recht einen Vorzug ihrer Werke
Suchte. Auch die prächtige Uhr, im British-Museum, deren
Abbildung Woltmann giebt, gehört in diese Reihe. 3) Nicht minder
geistreich sind die Entwürfe für Waffen, namentlich für Dolch"
scheiden, an denen die Phantasie des Meisters sich in mancherlei
figürlichen Oompositiouen zu ergehen liebte. Wir geben 113611
Woltmann eine dieser Scheiden aus der Bibliothek zu Bßfllbllrg
(Fig. (il- In drei Stockwerken einer zierlichen Renaissance sieht
man zuerst die Venus mit Eselsohren nach Art der Narren be-
Der zuvorkommenden Gefälligkeit des Herrn Ed. His verdanke ich die
Photographieen, nach welchen diese Holzschnitte unmittelbar ausgeführt
Sind. 2) In Photographieen herausgeg. vom South Kensington Museum.
a) Woltmnann II, 311.