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III.
Buch.
Renaissance in
Deutschland.
Mond; auf dem Gesimse Justitia, Temperantia und Simson mit
dem Löwen, dazwischen Inschriftschilde von Fruchtschnüren ein-
gefasst. Das Ganze prachtvoll barock, von grosser decorativer
Wirkung, die aber in Missverhaltniss steht mit der zu kleinen
Facade. Der mit Kreuzgewölben bedeckte Flur mündet auf einen
Hof, der von kräftigen Fachwerkbauten eingefasst ist. Ein hüb-
sches kleineres Portal mit zierlicher Gliederung sieht man in der
Grossen Moritzstrasse; ein kraftvoll derbes Barockportal mit tos-
kanischen Säulen auf hohen Postamenten, daneben eine kleine
rechtwinklige Pforte in der Grossen Steinstrasse No. 71. Wie
lange gelegentlich die frühere Renaissanceform hier naehwirkt,
sieht man an dem Portal der Kleinen Klausstrasse N0. 6 vom
Jahr 1658. Einige Male kommen reich geschnitzte Holzerker vor,
die in Anlage und Behandlung den späten Leipziger Erkern ent-
sprechen. So an dem Haus Kleinschmiedenstrasse N0. 2 ein bis
oben hinauf ganz mit Laubwerk und Fruchtschnüren bedeckter.
Aehnlich, nur nicht ganz so reich, Grosse Mätrkerstrasse N0. 2.
Ein Werk von besonderer Grossartigkeit, meines Wissens in
Deutschland einzig dastehend, ist der alte Friedhof. Wenn man
an der Ostseite der Stadt bei den neuen Anlagen sich rechts
wendet, so führt zwischen hohen Mauern der sanft ansteigende
Weg in einigen Minuten nach diesem Gottesacker, der mit seinen
herrlichen Baumgruppen die Höhe beherrscht und einen wunder-
vollen Blick auf die Stadt mit ihren Thürmen bis in das Saale-
thal gewahrt. Ein Thorweg, über welchem sich ein Kuppelthurm
aufbaut, führt in ein ungeheures Viereck, welches rings von Ar-
kaden, und zwar 94 Bögen von etwa 16 Fuss Spannung eingefasst
ist. Es sind Flachbögen, auf Rahmenpilastern ruhend, jeder ein
besonderes Familienbegräbniss einschliessend, an den Archivolten
mit Insehriften bedeckt, an sammtlichen Pilastern und Zwickel-
flachen mit Ornamenten der besten Renaissance geschmückt.
Ucber dem Eingangsportal das kräftig behandelte Brustbild des
Baumeisters Nickel Hofmann. Aber auch ohne dies monumentale
Zeugniss würde man aus der Aehnlichkeit mit den Formen der
Marktkirche auf denselben Architekten schliessen. Ja sogar in
denselben Jahren, als das umfangreiche Stuhlwerk jener Kirche
geschnitzt wurde, geschah die Ausführung des Friedhofs. Man
liest wiederholt die Jahreszahlen 1563 bis 1565, dazu mehrmals
die Namenszüge des Meisters, ausserdem noch die Buchstaben T. R,
und an der Ostseite nennt sich einmal Hans Reuscher. An der
Südseite sind eine Anzahl von Bögen in einem besonderen Stil
dekorirt, so dass die Ranken des Laubwerks sich wie Weinranken
in wunderbar reichem Spiel in und um einander verschlingen, Im