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III. Buch.
Deutschland.
Renaissance in
zeigt. In der Ulrichskirche ist neben dem Altar ein Taber-
nakel, das sich aus spatgothischem Astwerk aufbaut, dann mit
Consolen und Saulchen in die zierlichste Frührenaissance über-
geht, um zuletzt wieder mit naturalistisch verschlungenem Astwerk
zu enden. Es ist das seltsamste Gemisch, das von der künst-
lerischen Gährung jener Epoche lebendige Anschauung giebt. In
derselben Kirche eine reich geschnitzte Kanzel von 1588 mit
biblischen Geschichten, in den Formen schon stark barock. Eine
ähnliche Kanzel, nicht minder reich, aber auch stark barock in
der Moritzkirche.
Ein höchst bedeutendes Werk ist aber die grossartige Aus-
schmückung, welche die Marienkirche (Marktkirche) in allen
Theilen aufzuweisen hat. Der grossartige Bau des Langhauses,
eine hohe I-lallenkirche von herrlicher Raumwirkung, ist eins der
spätesten Werke der Gothik in Deutschland, von 1530 bis 1554
durch Meister Nikolaus Hofmann ausgeführt. An der südlichen
Empore steht: „Durch Gottes Hülf hab' ich Nickel Hofmann diesen
Bau in 1554 vollendet." Das Merkwürdigste ist aber, dass der-
selbe Meister den ganzen gothiseh construirten Bau in Renaissance-
formen decorirt hat. In den Seitenschiifen sind nämlich Emporen
auf gothischen Pfeilern und gerippten Kreuzgewölben angeordnet,
aber die ganzen Zwickelüachen in Sandstein mit Renaissance-
Ornamenten, Laub und- Rankenwerk, mit Figürlichem gemischt,
bedeckt. Die Brüstung der Emporen ist mit Kandelabersäulchen
im Stil der Frührenaissance eingetheilt, aber mit gothischem
Maasswerk gegliedert. Ebenso zeigt die obere Empore im nörd-
lichen SeitenschiH dieselben Formen in Holzschnitzerei. Hier sind
auch an den Pfeilern der oberen Empore zwei prächtige Palm-
bäume ausgeführt. Dazu kommt nun, dass die ganze Kirche in
den Seitenschiffen unter den Emporen mit einem Stahlwerk der
besten Renaissance versehen ist, die Rückwände mit feinen Pi-
lastern decorirt, Alles reich und mannigfaltig, sämmtliche freie
Flächen mit edlem Laubwerk bedeckt. Ein dorischer Triglyphen-
fries mit einer trefflich stilisirten Bekrönung bildet den Abschluss.
Man liest wiederholt die Jahreszahlen 1562 bis 1566 und kann
das Fortschreiten der Arbeit bis in's Einzelne verfolgen. Dazu
kommen Chorstühle vom Jahre 1575, endlich hinter dem Hoch-
altar die prachtvollsten Sedilia, in Schnitzarbeit von etwas
üppigeren Formen, vom Jahr 1595. Der Frührenaissance gehört
dagegen die Kanzel, bei welcher sogar in den Details noch über-
wiegend die Gothik herrscht; die Pilaster des Eingangs aber
zeigen die Renaissanceformen.
Die Profanbauten stehen hier hinter den Kirchen auEallend