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III. Buch.
Deutschland.
Renaissance in
Das interessanteste und früheste Privathaus ist Hainstrasse
N0. 33, welches wir in Fig. 217 mittheilen. Das Haus wurde
1523 erbaut, und aus dieser Zeit stammt im Wesentlichen die
Fagade mit den tief eingekehlten Fensterrahmen und dem hübschen
Erker, dessen Auskragung ein gothisches Rippengewölbe zeigt,
Während in der Brüstung des Fensters der neue Stil sich mit zier-
lichen Balustersäulchen und Laubgewinden versucht. Auch die
Säulehen, welche oben die kleine Loggia bilden und das ge-
schweifte Dach aufnehmen, gehören dieser Zeit. Dagegen sind
die derben Voluten des Giebels, dessen Absätze ursprünglich
ohne Zweifel Pyramiden oder andere Aufsätze trugen, einer Restau-
ration des 17. Jahrhunderts zuzuschreiben, während das pikant
ausgebaute polygone Thürmchen, welches den Giebel abschliesst,
der ursprünglichen Anlage gehört. Zahlreiche Inschriften sind in
den Hohlkehlen der Gesimse und Fensterrahmen sowie an der
oberen Brüstung des Erkers angebracht.
Wie die ausgebildete Renaissance sich hier gestaltet, erkennt
man an dem im Jahre 1556 von Iüeronynrus Letter erbauten Rath-
hause. 1) Es ist ein ausgedehntes Rechtek, die östliche Langseite
des Marktes begrenzend, überaus einfach in verputzten Backsteinen
aufgeführt. An der südlichen Schmalseite ist ein kleiner Erker
ausgebaut; ebenso an der Nordseite. Die nach Westen gewendete
Hauptfront ist mit sieben unregelmassig angeordneten Giebeln
bekrönt, die über dem mit Zahnschnitten ausgestatteten Haupt-
gesimse aufsteigen. Derb und tüchtig behandelt, zeigen die Ein-
fassungen der Voluten ein Rustikaquaderwerk (Fig. 218). Ein
achteckiger nicht genau in der Mitte der Facade ausgebauter
Thurm enthält das Hauptportal und die Wendeltreppe. Das Ganze
ist von malerischer Wirkung, aber ohne höheren Kunstwerth. Eine
im Jahre 1672 nothwendig gewordene Erneuerung hat sich mit
Verständniss dem Charakter des Ganzen angeschlossen?)
Die Fenster am ganzen Bau sind paarweise gruppirt, mit
durchschneidenden Stäben in spätgothischer Form eingefasst, jedes
schmückende Ornament ist vermieden, nur eine grosse Inschrift
in römischen Majuskeln umzieht als Fries den ganzen Bau. Das
Hauptportal, mit gekuppelten kannelirten ionischen Saulchen ein-
gefasst, hat über sich auf kräftigen Consolen eine otfene Altanc
als Abschluss des viereckigen Thurmgeschosses. Ueber dieser
geht der Thurm in's Achteck über und ist mit einem geschweiften
Dach geschlossen. Die östliche gegen den Naschmarkt gerichtete
Facade entspricht in ihrer Behandlung der westlichen, nur dass
Vogel's Leipz.
Annalen S.
202.
2) Ebenda
745.