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Buch.
III.
Die Renaissance in Deutschland.
Die Abbildung bei Weeck belehrt uns aber, dass dies nicht
der einzige Schmuck der Facade war. Sie hatte über dem Portal
einen Aufsatz mit der Reliefdarstellung von Kains Brudermord,
zu beiden Seiten mit den Statuen von Adam und Eva bekrönt.
Dies im Zusammenhange mit dem Todtentanz veranschaulicht also
den Gedanken, dass durch den Sündenfall der Tod in die Welt
gekommen sei, während die andere Facade mit Beziehung darauf
die Versöhnung durch Christi Menschwerdung und Leiden aussprach.
Wer erkennt nicht in der Wahl dieser Gegenstände die Geistes-
art des edlen aber unglücklichen Erbauers, der, obwohl von dem
Bedürfniss einer inneren Reform der Kirche tief durchdrungen,
doch, durch die stürmischen Bewegungen der Zeit erschreckt, sich
der Reformation abwendet, und im Zwiespalt mit seinem luthe-
risch gesinnten Volke 1539 starb! Aus dem Portal wuchs ein
stattlicher Baum mit der Schlange des Paradieses empor, und
über ihm trat ein mit fürstlichen Brustbildern und Wappen ge-
schmückter Erker in beiden oberen Geschossen heraus. Dieser
leider so schmählich verstümmelte und verdorbene Georgsbau geht
also dem von Moritz ausgeführten Hofbau um fast zwanzig Jahre
voran, und da er selbst noch früher als der Schlossbau zu Torgau
ist, so haben wir ihn als das früheste bedeutendere Denkmal der
Renaissance in ganz Norddeutschland zu bezeichnen.
Das Portal der ehemaligen Schlosskapelle, jetzt wie gesagt
in unverantwortlicher Weise dem Verderben gewidmet, bezeichnet,
da es von 1555 datirt ist, den unter Kurfürst August bewirkten
Abschluss des von Moritz begonnenen glänzenden Werkes. Es
ist weitaus die edelste Portalcomposition der ganzen deutschen
Renaissance, in Schönheit der Verhältnisse, Klarheit der Compo-
sition, Anmuth der Ornamente und Feinheit der Gliederung den
Geist durchgebildeter Hochrenaissance verkündend. Vier cannelirte
korinthische Säulen von klassischer Form bilden die Einfassung
und tragen das stark vertretende Gebälk, andessen Fries eine
herrliche Akanthusranke, wie nach den besten römischen Mustern
gearbeitet, sich hinzieht. Ein Gesims mit Zahnschnitt, Eierstab
und Consolen bildet den Abschluss. Darüber eine Attika mit
vier Pilastern, reich ornamentirt, in den Seitenfeldern zwei Apostel-
figuren, in dem breiteren Mittelfeld die Auferstehung Christi in
treElichen Reliefs. Dazu kommen vier andere Heilige in eleganten
Nischen, welche zwischen den Säulen die Seitenfelder gliedern.
Von demselben Reichthum und von gleicher Schönheit ist das
Schnitzwerk der Thür, sowohl im Ornamentalen als auch im Figür-
lichen von unübertroiifenem Adel. Um so unverantwortlicher dass
man dies herrliche Werk, sicherlich eine Arbeit italienischer