Kap. XV.
Obersachsen.
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Theilen des Schlosses der an der nordöstlichen Ecke gegen den
Fluss hinausgeschobene Flügel, durch welchen noch jetzt der ganze
Verkehr aus der Schlossstrasse nach der Elbbrücke seinen Wcg
nimmt. Er hat in der Mitte eine mit Kreuzgewölben versehene
Durchfahrt, an beiden Seiten Passagen für Fussgänger, an der
inneren Stadtseite bei N im Erdgeschoss eine gewölbte Vorhalle
auf Pfeilern, die aber ein späterer Zusatz ist, da sie die reichen
Portale bis auf das zur linken und einen Theil des mittleren
verdeckt hat. An dem ersteren liest man zweimal die Jahrzahl
1530, dabei die lebendig ausgeführten Medaillonportraits der Her-
zöge Georg des Bärtigen und seines Sohnes Johann. Die Ornai
mente sind hier noch sehr spielend und etwas flach gezeichnet,
aber reich und zierlich, die Profile der Glieder in mittelalterlicher
Weise aus Kehlen und Rundstäben zusammengesetzt. Die ganze
Facade, ehemals von der grössten Prachtf) war mit ügürlichen
Friesen, Pilastern und Gesimsen glänzend dekorirt und mit einem
hohen Giebel abgeschlossen, auf dessen Stufen Drachen und Vo-
luten angebracht waren, während die Ecklisenen von Statuen bekrönt
wurden. In der Mitte der Facade rankte sich ein doppelter ver-
schlungener Baumzweig empor, in den beiden Hauptgeschossen
die mittleren Fenster umrahmend, am Giebel dann sich vereinigend
und bis zum obersten Schlussfelde aufsteigend, wo Maria mit dem
Kinde auf ihm thronte, von Engeln umringt. Diese sowie sammt-
liche übrige Bildwerke der Facade sammt zahlreichen Sprüchen
entwickelten den Gedanken der Erlösung, bewegten sich also, den
klassischen Gewohnheiten der Zeit entgegen, in ausschliesslich
christlichem Ideenkreise. Bemalung und Vergoldung steigerte noch
die Pracht des Ganzen.
An der Aussenseite bei M ist das Mittelportal in derselben
spielenden F rührenaissance dekorirt, mit kandelaberartigen Säulen
eingefasst, die in ihren rundlichen Formen fast wie von Bronze
erscheinen. Alle Flächen, die Sockel, Pilaster, sind mit spielenden
Ornamenten völlig bedeckt. Am Schlussstein ist ein Todtenkopf
ausgemeisselt, über welchem die halb zerstörte Inschrift: Per invi-
diam diaholi mors intravit in orbem. Darüber sechs Wappen mit
der Jahrzahl 1534. Dies wird also die Vollendungsepoche sein.
Ehemals zog sich in der Höhe des zweiten Stockes das grosse
Relief eines Todtentanzes an der Facade hin, welches später durch
den vorgebauten Balcon verdrängt, in die Mauer des Neustädter
Kirchhofs eingesetzt wurde." Es ist eine treffliche Arbeit voll Aus-
druck und Leben, etwa 3 F. hoch und gegen 40 F. lang.
Weeek, Taf.
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