Kap. XIV.
Die norddeutschen Küstengebiete.
771
Die Ecken des Gebäudes zeigen reich ornamentirte Quader, den
oberen Abschluss bildet eine Balustrade, darüber ein wohl später
umgestaltetcs Mansardendach, endlich ein Thurm mit kuppel-
artiger Spitze. Das Ganze nicht rein und nicht ausgezeichnet,
aber doch wirksam (bis auf die späte nüchterne grosse Pilaster-
stellung in der Mitte). Alle diese Bauten haben doch etwas
individuell Lebensvolles, daher der frische anziehende Eindruck.
Der Bau wurde 1) durch Graf Anton Günther, der 1603 im Alter
von 23 Jahren zur Regierung kam, neu aufgeführt, als er 1606
von einer Reise nach dem kaiserlichen Hof zu Prag und von dort
durch Oesterreich und Oberitalien zurückkehrte und das alte
Schloss zu schlecht fand. Architekten waren ein Italiener Andrea
Speza de Ronio, der aber während des Baues davonlief, und ein
herzoglich meklenburgischer Baumeister Georg Reinhardt. Vollen-
det wurde der Bau 1616 und erhielt wegen der „vielen bequemen
mit künstlichen Gemälden verzierten Gemächer" den Beifall der
Zeitgenossen. Im Archiv zu Oldenburg befindet sich eine Er-
klärung der „sinnreichen Embleme und allegorischen Figuren im
grossen Saale." Von den Tugenden heisst es z. B.: „die Jungfer
auf der rechten Seite giesst aus einer Gicsskanne in ein Becken:
also soll auch ein Fürst, dem Gott der Herr die Mittel gegeben,
Geld und Gut nicht schonen, sondern freiwillig dahingeben
Die geharnischte Jungfer mit dem blossen Schwerdt und einer
brennenden Laterne, hinter sich eine Gans und auf dem Kopfe
einen Kranich, zeigt an, wenn gleich Hannibal antc portas und
itzt auf dem Kapitolio in Ihro hochgräii. Gnaden Saal Mahlzeit
halten wollte, so sollen doch I. Gn. stets munter und in Bereit-
schaft gefunden werden." Von diesem Saale ist keine Spur
mehr vorhanden, und selbst in den Grundrissen bei Thura 2) lasst
er sich nicht mehr nachweisen.
Der-selben Zeit gehört des Rathhaus an, welches die Jahr-
zahl 1635 tragt. Es ist ein bescheidener Bau, der jedoch in den
drei hohen Barockgiebeln der Facade und den Seitengiebeln
sowie dem etwas kleinlich behandelten Portal, das mit Figuren
und einem vergoldeten und bemalten Wappen verziert ist, sich
anziehend wirksam darstellt. Prachtig sind die phantastischen
Wasserspeier mit ihren Drachenleibern.
Den Beschluss möge eins der merkwürdigsten Denkmale
bilden, welche die deutsche Renaissance hervorgebracht hat, das
1) Das Geschichtl.
V1truvius II, Tail 158-
in Winekelmands
160.
Oldenb.
Chronik.
49"
Danske