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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
und Seitenlehnen geziert sind. An der innern Langseite des
Saales sieht man eine Thür zu einem angebauten Sitzungszimmer,
mit Putten und Akanthusranken in einfacher Frührenaissance
dekorirt, inschriftlich 1550 ausgeführt. Daneben in derselben
Wand zwei reichere Barockportale. Die grösste Pracht" entfaltet
sich aber an der hölzernen Wendeltreppe, welche zu dem im
Erkerbau angebrachten oberen Sitzungszimmer führt, mit 1616
bezeichnet. Hier ist geradezu Alles in geschnitzte Ornamente
und in Figuren aufgelöst, namentlich das Portal aussen und
innen von der erdenklichsten Ueppigkeit, davor auf einer Säule
die Figur eines Herkules. Es ist die Blechmusik des beginnen-
den Baroco in ihrem berauschendsten Fortissimo. Der kleine
Saal selbst hat treifliche Täfelung mit reichen Pilastern. Auch
das untere Sitzungszimmer zeigt eine prachtvoll geschnitzte Thür.
Neben den Holzsculpturen im Rathhaus zu Lüneburg sind diese
Arbeiten die glanzvollsten Schöpfungen der deutschen Schnitz-
kunst der Renaissancezeit.
Von den übrigen Gebäuden der Renaissance ist zunächst die
Schütting von 1537 zu nennen. Ein ganz aus Quadern errich-
teter Bau, der eine Giebel einfach abgetreppt, mit übereck gen
stellten gothischen Fialen, der andere in guter Renaissance
durchgraführt, mit Pilastern und Bögen, darin Medaillons mit
Köpfen in Hochrelief; als Krönung Voluten, von denen die eine
in Löwenklauen endet, auf dem Giebel eine Statue. Diese Theile
wird man um 1560 setzen müssen. Die Fagade dagegen mit
ihren beiden riesig hohen Fensterreihen, dreitheilig in der Höhe
und zweitheilig- in der Breite, mit gedrückten, spätgothischen
Schweifbögcn wird der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ange-
hören. Eine Balustrade in eleganter Renaissanceform bildet den
Abschluss; darüber in der Mitte ein Dacherker mit der Relief-
darstellung eines Schiffes. Im Uebrigen hat das Gebäude moderne
Umgestaltungen erfahren.
Ein stattlicher Bau von 1587 ist die Stadtwaage, ein hohe1'
Backsteingiebel, mit gekuppelten Rustikapilastern, Voluten und
Pyramiden in Sandstein gegliedert. Auch die beiden Portale in
kräftiger Rustika, die Quader mit Sternornamenten sind von
Sandstein. Die g-ekuppelten Fenster haben eine hübsche Muschel-
bekrönung. Das Ganze ist einfach und tüchtig. Etwas reicher
Wiederholt sich derselbe Stil an dem Kornhaus von 1591. Allßh
hier ist Backstein und Haustein verbunden; die Fenster zeigen
dieselbe Behandlung, die Quader sind sammtlich reich orna-
mentirt, der enorm hohe Giebel mit Voluten und Pyramiden
geschmückt.